10. Dezember 2009, Aktuelles, Uni Bonn

Hodenkrebs durch Fruchtbarkeitsgen

Forscher der Universität Bonn haben entdeckt, dass der Verlust eines bestimmten Gens bei Mäusen zur Sterilität führt. Die Erbanlage enthält die Bauanleitung eines Proteins namens AP2-Gamma. Dieses Zelleiweiß spielt bei der Entwicklung der Urkeimzellen im ungeborenen Fötus eine wichtige Rolle. Auch beim Menschen kommt AP2-Gamma vor. Normalerweise wird es aber kurz vor der Geburt abgeschaltet.

Schon vor einigen Jahren konnten die Bonner Wissenschaftler jedoch zeigen, dass auch menschliche Hodentumoren AP2-Gamma produzieren, und zwar in großen Mengen. Die aktuelle Studie erscheint in der kommenden Ausgabe der Zeitschrift Biology of Reproduction, ist aber bereits online abrufbar (doi: 10.1095/?biolreprod.109.078717).

Urkeimzellen bilden sich schon im frühen Embryo an der Wand des Dottersacks. Im Laufe der Schwangerschaft wandern sie in die Genitalanlagen. Dort verwandeln sie sich in Keimzellen, die beim Mann im Hoden gespeichert werden. Diese Keimzellen beginnen in der Pubertät mit der Produktion der Spermien. Die Bonner Forscher haben untersucht, welche Rolle das AP2-Gamma bei dieser Entwicklung spielt. Dazu setzten sie in Mäusen das AP2-Gamma-Gen außer Gefecht.

“Ungeborene Tiere entwickelten sich anfangs normal”, erklärt der Bonner Pathologe Professor Dr. Hubert Schorle. “Später verloren sie aber sämtliche Urkeimzellen.” Im Zuge ihrer Experimente begriffen die Wissenschaftler schließlich auch warum: In den Versuchsmäusen verwandelten sich die Urkeimzellen in normales Körpergewebe. Das AP2-Gamma blockiert diese Differenzierung augenscheinlich. Ohne AP2-Gamma verschwinden die Urkeimzellen dagegen. Die Folge ist Unfruchtbarkeit.

Interessanterweise kommt AP2-Gamma auch in den Urkeimzellen menschlicher Feten vor. Gegen Ende der Schwangerschaft wird bei ihnen das “Fruchtbarkeits-Gen” abgeschaltet. Dann haben sich nämlich sämtliche Urkeimzellen zu Keimzellen umgewandelt. Und diese brauchen den Schutz des AP2-Gamma nicht mehr.

In Erwachsenen findet sich daher normalerweise kein AP2-Gamma. Anders bei Hodenkrebs: Bestimmte Hodentumoren verraten sich dadurch, dass sie schon in frühen Stadien große Mengen dieses Proteins produzieren. “Dasselbe Protein, das für die Entwicklung der Keimzellen im ungeborenen Kind extrem wichtig ist, kann also im Erwachsenenalter mit Tumoren in Verbindung gebracht werden”, sagt Schorle. In den Krebszellen blockiert das AP2-Gamma wahrscheinlich die normale Entwicklung der Spermien.

Der Befund bestätigt zudem die Theorie, wonach die meisten Hodentumoren aus Urkeimzellen entstehen. Am Bonner Uniklinikum nutzen die Ärzte das Protein inzwischen zur Diagnose, um verschiedene Typen von Hodenkrebs voneinander zu unterscheiden. So wissen sie frühzeitig, welchen Therapieweg sie einschlagen müssen. Denn nicht jedes Medikament wirkt bei jedem Tumortypus gleich gut. (Uni Bonn)



» Diesen Artikel via Mail weiterempfehlen





Schreiben Sie einen Kommentar »



Das könnte Sie auch interessieren:
Bild: Barbara Frommann/Uni Bonn

Bonn: Stadt und Universität wollen enger zusammenarbeiten

Die Bundesstadt Bonn und die Universität Bonn wollen künftig enger zusammenarbeiten, um Wissenschaft und internationale Einrichtungen am Standort Bonn produktiv miteinander zu vernetzen. Das sieht ein Kooperationsvertrag vor, den Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch und Rektor Prof. Dr. Jürgen Fohrmann am 09….

Bild: Rolf Müller / UKB

Prof. Andreas Müller neuer Leiter der Neonatologie am Uni-Klinikum Bonn

Prof. Dr. Andreas Müller ist neuer Leiter der Frühgeborenenmedizin am Zentrum für Kinderheilkunde des Universitätsklinikums Bonn. Als Leitender Oberarzt in der Bonner Universitäts-Neonatologie spezialisierte er sich unter anderem auf die Intensivmedizin bei Früh- und Neugeborenen. Neben der Betreuung Früh- und…

Forschungsprojekt: Mechanismen von Neurodermitis und Allergien

Grundlegende Mechanismen von Neurodermitis und Allergien untersucht ein Forscherteam des Universitätsklinikums Bonn mit Kollegen aus der Schweiz. Das Projekt wird vom Christine Kühne Center for Allergy Research and Education (CK-CARE) gefördert. In den nächsten fünf Jahren fließen mehr als zwei…

Rübenzystennematoden nutzen Sauerstoffradikale zur Nahrungsbeschaffung

Pflanzen haben im Lauf der Evolution „gelernt“, wie sie sich gegen Schmarotzer wehren können. Das Wachstum von parasitierenden Fadenwürmern unterbinden sie, indem sie mithilfe von Sauerstoffradikalen befallene Wurzelzellen absterben lassen. Rübenzystennematoden nutzen diese Abwehrstrategie des Wirts jedoch gezielt, um sich…

Uni Bonn: Neues Stipendium für Postdoktorandinnen

Postdoktorandinnen, die ein eigenständiges Forschungsvorhaben an der Universität Bonn realisieren möchten, können sich um das neue Wilhelmine Hagen-Stipendium bewerben. Es sieht drei Förderungen aus Gleichstellungs- und Fakultätsmitteln vor. Bewerbungsschluss ist der 20. Juni 2012, Beginn der Förderung am 1. Oktober…

Weitere Beiträge zum Thema: