25. Februar 2011, Uni Hohenheim

Bedeutung von Wahlplakaten – Interview mit Prof. Dr. Frank Brettschneider

Vier Wochen vor der Wahl wird der Wahlkampf zum ersten Mal so richtig sichtbar: Die Parteien beginnen mit der Plakatierung.

Herr Brettschneider, finden die klassischen Wahlplakate heute überhaupt noch Beachtung?

Zunächst einmal machen sie darauf aufmerksam, dass der Wahlkampf begonnen hat. Sie haben also eine Signalfunktion. Doch ihre tatsächliche Wirkung ist begrenzt: Wahlplakate verändern die politischen Einstellungen der Wählerinnen und Wähler kaum. Die Hauptfunktion der Plakate besteht vielmehr darin, die Aufmerksamkeit auf bestimmte Themen zu lenken. Wahlplakate wirken also vor allem dann, wenn sie relevante Themen ansprechen und wenn sie gut gemacht sind.

Wie erkenne ich denn ein gutes Wahlplakat?
Am Inhalt und an der Gestaltung. Es muss sich um Themen handeln, die für die Wählerinnen und Wähler relevant sind. Denn ein relevantes Thema zieht Aufmerksamkeit auf sich.

Und es gibt gestalterische Merkmale, die ein Wahlplakat interessant machen. Bilder erzielen generell mehr Aufmerksamkeit als Texte. Unsere Forschungen zeigen eindeutig: Schon nach wenigen Millisekunden werden Bildplakate unbewusst besser bewertet als Textplakate.

Woran liegt das genau?
Bilder erzielen eine größere Aufmerksamkeits- und Aktivierungswirkung. Denn die Bildelemente eines Wahlplakats werden schneller und länger betrachtet als der Rest eines Plakates; fast 70 Prozent der Betrachtungszeit entfallen auf die Bildbereiche. Betrachter erinnern sich auch besser an Bildplakate als an Textplakate – und sie werden häufiger den richtigen Parteien zugeordnet.

Das nennen wir “Bild-Überlegenheitseffekt”. Er lässt sich übrigens in allen Wählergruppen feststellen. Wichtig ist außerdem: eine klare Gliederung; die Verwendung assoziationsreicher, emotional positiv besetzter Bilder und ein ausgewogenes Kontrastverhältnis. Freundliche und leuchtende Farben kommen besser an als schrille und grelle Farben.

Wie untersuchten Sie Plakate und ihre Wirkung?
Wir kombinieren Befragungen von Wählerinnen und Wählern mit Blickaufzeichnungen, dem so genannten Eyetracking. Dabei wird millisekundengenau der Blickverlauf eines Probanden beim Betrachten von Wahlplakaten festgehalten. So können wir feststellen, welche Personengruppen wie lange wohin geschaut haben. Das erlaubt uns, Schlüsse auf die Wirkung der Plakate zu ziehen. Auch bitten wie die Teilnehmer unserer Studie die Plakate – mit und ohne Parteilogo – anhand eines Fragebogens zu bewerten.

Nach welchen Kriterien unterscheiden Sie Wahlplakate?
Wenn wir die Wirkung von Plakaten untersuchen wollen, unterscheiden wir insbesondere zwei Typen: Kopfplakate und Themenplakate. Auf reinen Kopfplakaten ist ein Kandidat oder eine Kandidatin abgebildet, meist versehen mit dem Namen, dem Parteilogo und einem Slogan. Diese Plakate haben keine besonders große Wirkung. Sie machen zwar die Kandidaten/innen etwas bekannter, aber viele Menschen sind auch früher oder später von diesen Plakaten “genervt”.

Anders ist das bei den Plakaten der Spitzenkandidaten. Auf deren Kopfplakaten wird in der Regel ein Thema oder eine besondere Eigenschaft – wie zum Beispiel Verlässlichkeit oder Führungsstärke – angesprochen. Solche Plakate wirken durch die Verbindung eines Themas mit einem Spitzenkandidaten.

Dann gibt es noch die reinen Themenplakate: Bildung, Wirtschaft, Umwelt – damit können Parteien die Aufmerksamkeit der Menschen auf ihre Kernthemen lenken. Dafür darf das Plakat aber nicht überfrachtet sein. Wie wir herausgefunden haben, ist die Kombination aus einem Foto, das die Aufmerksamkeit auf sich zieht, und einem passenden Slogan am wirkungsvollsten. Reine Textplakate hingegen wirken hingegen in der Regel gar nicht – oder sogar abstoßend.

Wie wichtig sind Plakate im Vergleich zu anderen Wahlkampfinstrumenten?
In Zukunft werden Wahlplakate etwas an Bedeutung verlieren. Völlig unwichtig werden sie jedoch nie sein. Aber der Anspruch an ihre Qualität wird wachsen. Und: Bei begrenzten finanziellen Mitteln für die Wahlwerbung müssen sich Parteien entscheiden, welchen Mix unterschiedlicher Wahlkampfinstrumente sie einsetzen wollen. Da wird es eine Verschiebung geben – weg vom Plakat, hin zum Internet.
(Uni Hohenheim)



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