30. November 2012, Hochschulen

Testanlage zur Untersuchung neuartiger Thermochemischer Speicher

Energiespeicher spielen eine Schlüsselrolle für die Energieversorgung der Zukunft. Auch in der Industrie können Speicher Prozesswärme aufnehmen, so dass anfallende Wärmeenergie bei Bedarf wieder eingesetzt werden kann. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat am 29. November 2012 in Köln eine Testanlage zur Untersuchung neuartiger Thermochemischer Speicher eingeweiht. Diese Speicher sind in der Lage, große Mengen an Wärmeenergie in Form von chemischer Energie aufzunehmen. Aus dem Alltag ist eine solche Reaktion zum Beispiel beim Ablöschen von Kalk bekannt.

Thermochemische Wärmespeicher nehmen Wärme über endotherme Reaktionen auf und geben sie durch exotherme Reaktionen wieder ab. In der nun am DLR in Betrieb genommenen Testanlage wird erstmals ein Speicher im größeren Maßstab getestet. Dabei strömt auf bis zu 600 Grad Celsius erhitzte Luft an Calciumhydroxid vorbei. Bei dieser Reaktion entsteht Calciumoxid, im Alltag auch als gebrannter Kalk bezeichnet, zudem wird Wasserdampf freigesetzt. Fügt man dem gebrannten Kalk wieder Wasserdampf hinzu, reagiert das Material zu Calciumhydroxid und setzt bei dieser stark exothermen Reaktion große Mengen an Energie in Form von Wärme wieder frei. Da es sich um eine beliebig oft wiederholbare Reaktion handelt, kann das Calciumoxid/Calciumhydroxid-System als Thermochemischer Speicher eingesetzt werden.

“Thermochemische Speicher bieten viele Potenziale”
Bei der Entwicklung von Thermochemischen Speichern betreten Wissenschaftler weitgehend Neuland. Mit der Testanlage in Köln können die Forscher das Verhalten von unterschiedlichen Thermochemischen Wärmespeicher-Materialien erforschen und verschiedene innovative Speicherkonzepte entwickeln. “Mit Calciumoxid und Calciumhydroxid haben wir zunächst die ersten Labortests im Milligramm-Maßstab gemacht, wir haben dieses Verfahren immer weiterentwickelt und untersuchen es nun in größerem Maßstab in der neuen Testanlage”, sagt Dr. Antje Wörner, Abteilungsleiterin Thermische Prozesstechnik beim DLR-Institut für Technische Thermodynamik. “Thermochemische Speicher sind zwar komplexer als sensible Wärmespeicher, aber sie bieten zusätzliche Potenziale und können daher sehr gut als Kraftwerksspeicher oder Prozessspeicher in der Industrie eingesetzt werden.” In Kooperation mit dem Institut für Thermodynamik und Wärmetechnik (ITW) der Universität Stuttgart haben DLR-Wissenschaftler zuvor im Rahmen des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie BMWi geförderten Verbundprojekts CWS (Chemische Wärmespeicherung mittels reversibler Gas- und Feststoffreaktionen) das Potenzial dieser Speicher untersucht.

Hohe Energiedichte und ideale Langzeit-Speicher
Ein Vorteil des Calciumoxid/Calciumhydroxid-Speichers ist, dass durch die beschriebene chemische Reaktion pro Kubikmeter über fünfmal mehr Wärmeenergie gespeichert werden kann als zum Beispiel in Wasser (bei Abkühlung von 80 auf 30 Grad Celsius). Die Energiedichte des Speichers ist also extrem hoch. Ein weiterer wesentlicher Vorteil des Prinzips ist, dass Calciumoxid die zuvor eingebrachte Energie erst dann abgibt, wenn Wasser hinzugeführt wird. Im Gegensatz zu klassischen Wärmespeichern, die trotz Isolation nach und nach auskühlen, ist ein Thermochemischer Speicher ein idealer Langzeit-Speicher. Durch die preisgünstigen Speichermaterialien gehen die Wissenschaftler zudem davon aus, dass ein Calciumoxid/Calciumhydroxid-Speicher Energie besonders wirtschaftlich aufnehmen und bereitstellen kann.

Anwendungen in Industrie und Kraftwerken
Die Einsatzmöglichkeiten für Thermochemische Speicher liegen unter anderem bei Sonnenkraftwerken. Hier werden große Wärmespeicher benötigt, damit die Kraftwerke auch in den Abendstunden und in der Nacht Strom generieren können. Derzeit werden in Sonnenkraftwerken teure Flüssigsalz-Speicher eingesetzt. In der Industrie können die Speicher überall dort zum Einsatz kommen, wo energieintensive Prozesse ablaufen. Dies kann bei sehr hohen Temperaturen , wie um Beispiel in der Keramikindustrie, der metallverarbeitenden Industrie oder bei der Glasherstellung sein. Der Endenergieverbrauch für Prozesswärme im Industriesektor betrug im Jahr 2008 über 1600 Petajoule. Speicher können zumindest einen Teil dieser Prozesswärme auffangen, so dass diese an anderer Stelle wieder zum Einsatz kommen kann. So können sie einen wichtigen Beitrag zur Effizienzsteigerung leisten. Im CWS-Projekt wurde der Grundstein für das Verständnis Thermochemischer Speicher gelegt. Ziel der Forschungsarbeiten ist es, die technologische Machbarkeit zu demonstrieren und diese innovativen Energiespeicher für konkrete Anwendungen in Zusammenarbeit mit der Industrie zur Marktreife zu bringen.

Energie- und Werkstoffforscher unter einem Dach
Die Testanlage befindet sich im Gebäude des CeraStorE (Competence Center for Ceramic Materials and Thermal Storage in Energy Research). Im CeraStorE forschen Energie- und Werkstoffforscher aus dem DLR-Institut für Werkstoffforschung, dem DLR-Institut für Technische Thermodynamik und dem DLR-Institut für Solarforschung an keramischen Materialien für Brennkammern, Strahlungsempfängern für Turmkraftwerke sowie an innovativen Wärmespeichern. Hier wollen die Wissenschaftler ihre neu entwickelten Werkstoffe und Speicher an anwendungsnahen Versuchsanlagen testen und ihre Machbarkeit demonstrieren. Damit schlagen sie bei der Entwicklung von Innovationen zur Marktreife eine wichtige Brücke zwischen Forschung und Anwendung. CeraStorE und die nun in Betrieb genommene Testanlage wurden mit Mitteln des Ministeriums für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert. (DLR)



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