Verhinderung von Nierenschäden durch Wirkstoff Olmesartan
Ein wichtiger Schritt in der Diabetes-Forschung: Mediziner aus ganz Europa haben sich unter der Federführung der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) an der weltweit größten Studie (ROADMAP-Studie) mit fast 4.500 Diabetes-2-Patienten beteiligt und eine bessere Vorsorge vor der so genannten diabetischen Nephropathie entwickelt. Diese chronische Niereninsuffizienz, die weltweit Hauptursache für ein Versagen der Nierenfunktion ist, kann im fortgeschrittenen Stadium nur mit einer Dialyse oder Nierentransplantation behandelt werden.
Die sogenannte Mikroalbuminurie – also das Auftreten einer bestimmten Menge dieses Eiweiß im Urin – kann bei Diabetes-2-Patienten ein frühes Anzeichen dafür sein, dass sich im Laufe der Zeit eine derartige Nierenschädigung entwickelt. Wissenschaftler um Professor Dr. Hermann Haller, Direktor der MHH-Klinik für Nieren- und Hochdruckerkrankungen, haben nun herausgefunden, dass der Wirkstoff Olmesartan den Beginn der Mikroalbuminurie verzögern oder sogar ganz verhindern kann und damit auch die Folgeerkrankungen. Die Forscher entdeckten darüber hinaus, dass dieses bereits zur Blutdrucksenkung verwendete Mittel bei Patienten mit Herzerkrankungen nur mit Vorsicht angewendet werden sollte. Bei ihnen sollte der Blutdruck nicht – wie bisher üblich – auf 120 zu 80 mmHg eingestellt werden sondern auf 130 zu 85 mmHg. Die Forscher veröffentlichten ihre Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsjournals “The New England Journal of Medicine”.
Für die Untersuchung bezogen die Wissenschaftler Diabetes-2-Patienten aus ganz Europa ein, bei denen die Nieren nicht geschädigt waren, und die noch keine Mikroalbuminurie hatten. Eine Hälfte von ihnen erhielt über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren einmal täglich 40 mg dieses Wirkstoffes. Die andere Hälfte der Gruppe erhielt ein Placebo. In der Wirkstoff-Gruppe entwickelte sich signifikant später und seltener eine Mikroalbuminurie. “Diese Ergebnisse zeigen eine präventive Therapiemöglichkeit bei Diabetikern auf”, betont Professor Haller. Doch die Prävention muss mit Vorsicht eingesetzt werden: Die Patienten waren in der Studie zwar gesünder, im Laufe der drei Jahre starben jedoch in der Behandlungsgruppe 15 Menschen, in der Placebo-Gruppe nur drei. Die Erklärung dafür ist zu niedriger Blutdruck: Die gestorbenen Patienten litten schon vor Beginn der Studie an einer Erkrankung ihrer Herzkranzgefäße.
“Die Studie weist in die Richtung, dass Diabetes-Patienten, bei denen Mikroalbuminurie nachweisbar ist, das Medikament zur Verhinderung einer diabetischen Nephropathie einnehmen sollten. Aber bei Patienten mit Erkrankungen der Herzkranzgefäße sollte darauf geachtet werden, denn Blutdruck nicht zu sehr zu senken. Die Prävention sollte nicht übertrieben werden”, sagt Professor Haller. “Die Idealwerte, die bei zu hohem Blutdruck durch Medikamente erreicht werden sollten, müssen für Patienten mit kardiovaskulären Vorerkrankungen überdacht werden. Wir empfehlen, bei ihnen anstelle der bisher üblichen Werte von 120 zu 80 mmHg die höheren Werte 130 zu 85 mmHg anzustreben. Unsere Studienergebnisse werden die derzeit gängigen Leitlinien in Europa verändern”, sagt er.
Das Medikament wirkt positiv auf die Niere, weil es das sogenannte Renin-Angiotensin-System hemmt. Olmesartan blockiert dieses System, wodurch eine Schädigung der Niere durch Angiotensin II verhindert wird. Bislang wurden AT1-Antagonisten, zu denen das Medikament gehört, erst bei fortgeschrittenen Nierenerkrankungen zur Therapie eingesetzt. Die Ergebnisse der ROADMAP-Studie zeigen nun aber, dass bereits mit der frühzeitigen Therapie die Entstehung der diabetischen Nephropathie beeinflusst werden kann. Der Erklärungsversuch der Forscher: Vermutlich wird die Funktion der kleinen Blutgefäße in der Niere, die Mikrozirkulation, verändert und die gesteigerte Durchlässigkeit für Eiweiß gesenkt.
Im Normalfall scheiden die Nieren 20 mg Albumin innerhalb von 24 Stunden aus. Die Ausscheidung von 20 bis 200 mg Albumin pro Tag wird als Mikroalbuminurie bezeichnet. Bei Menschen mit Diabetes oder Bluthochdruck wird eine Mikroalbuminurie bei etwa 10 bis 40 Prozent der Betroffenen gefunden. Ob eine Beeinflussung der Mikroalbuminurie langfristig auch eine Wirkung auf die Mirkozirkulation in anderen Gefäßgebieten hat und damit andere Organschäden wie Schlaganfall und Herzinfarkt verhindern kann, soll in einer Folgestudie analysiert werden. (MHH)
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