19. Juli 2010, Aktuelles, Uni Jena

Zucht von Schleichenlurchen erstmals gelungen

Wie kleine Schlangen wühlen sie sich durch die Erde auf der Suche nach ihrer Mutter. Wenn sie sie gefunden haben, legen sie sich eng an ihren Körper – und rammen ihre kleinen Zähnchen unaufhörlich in die Haut der Mutter. Was hier beschrieben wird, ist keine Szene aus einem Horrorfilm, sondern die Brutpflege der Schleichenlurche. Denn diese regenwurmähnlichen Amphibien werden nicht von der Mutter gesäugt oder mit Futter versorgt, sondern sie ernähren sich in den ersten zwei Lebensmonaten von einer ganz speziellen Haut des Muttertieres. Allerdings können Forscher dies in der Natur nur schwer beobachten.

Zoologen der Friedrich-Schiller-Universität Jena ist es nun erstmals weltweit gelungen, eine Schleichenlurchenart – die westafrikanischen Streifenwühlen – in Gefangenschaft zu züchten. „Das ist schon eine kleine Sensation“, freut sich Dr. Alexander Kupfer vom Institut für Spezielle Zoologie und Evolutionsbiologie der Universität Jena. „Wir haben nach langen Beobachtungen die optimalen Bedingungen schaffen können, in denen sich die Tiere hier fortpflanzen“, sagt Kupfer. Im Keller des Instituts leben nun mehrere Wühlenfamilien mit durchschnittlich fünf Jungtieren – insgesamt etwa 30 Exemplare – in mit warmer lockerer Erde gefüllten Plastikboxen. „Sandy Reinhard, Diplomandin am Institut, hat mich bei den Vorbereitungen unterstützt“, betont der Jenaer Amphibienexperte. „So fand sie heraus, dass für die Tiere lichtdurchlässige Behältnisse angenehmer sind.“ Das Futter der erwachsenen Streifenwühlen besteht in Jena hauptsächlich aus Regenwürmern, die sie mit ihrem starken Gebiss erstaunlich schnell vertilgen können. Alles in allem wurden optimale Bedingungen für die Fortpflanzung geschaffen. „Es ist außerdem gar nicht so leicht festzustellen, welches das Männchen und welches das Weibchen ist“, erklärt Alexander Kupfer ein weiteres Problem der Zucht. „Das Männchen hat nur ein winziges penisähnliches Organ.“

Geotrypetes seraphini – so der wissenschaftliche Name – gebären lebendigen, jedoch wenig entwickelten Nachwuchs. Andere Arten, die etwa in den Subtropen Südamerikas oder Südostasiens vorkommen, legen Eier oder bringen voll entwickelte Junge zur Welt. Die Ernährung der Jungtiere mit Mutterhaut kommt bei vielen Arten vor. „Für uns ist besonders spannend, die Brutpflege bei Amphibien endlich genau unter die Lupe nehmen zu können. Sie ist gar nicht so selten, aber weitaus weniger erforscht als die von Vögeln oder Säugetieren“, erklärt der Jenaer Biologe. Die spezielle Art von Kannibalismus kommt jedoch nur bei dieser kleinsten Amphibienordnung vor. Die Haut ist fett- und proteinhaltig und bildet sich in den zwei Monaten der Brutpflege immer wieder neu. Mit einem ganz besonderen Gebiss, das sich später verändert, können die Jungtiere die Haut abraspeln, ohne die Mutter zu verletzten. Mit einer Kamera wollen die Jenaer Zoologen die Aufzucht der Tiere jetzt genau dokumentieren.

Die Elterntiere der Jenaer Zucht haben eine weite Reise hinter sich. Sie stammen aus Kamerun. Schon seit einiger Zeit existiert eine Kooperation für dieses Projekt mit Dr. Nono Gonwouo, Zoologe an der Universität Yaoundé. Dort kommen Streifenwühlen sehr häufig vor, schon in einer Stunde kann man beispielsweise auf dem Campus der Universität 20 bis 30 Stück sammeln.

Auch Alexander Kupfer plant eine Forschungsreise zu den Kollegen nach Westafrika, denn es gibt noch einiges im Freiland zu erforschen. „Die Streifenwühlen besitzen ein tentakelartiges Sinnesorgan an ihrem Kopf, dessen Funktion uns bisher noch nicht genau bekannt ist“, nennt Alexander Kupfer einen weiteren Forschungsschwerpunkt in Zusammenarbeit mit dem Jenaer Zoologen Dr. Markus Knaden vom Max-Planck-Institut für Chemische Ökologie in Jena. „Außerdem wollen wir in dem Promotionsprojekt von Susanne Kühnel mehr über die Genitalevolution von Amphibien herausfinden. Da werden uns die Zuchttiere sehr viel weiter helfen“, sagt Kupfer. Auch die anderen Schleichenlurchenspezialisten sowie Zoos und Aquarien weltweit freuen sich über die gute Nachricht aus Jena, denn natürlich wissen sie jetzt, unter welchen Bedingungen bei den Schleichenlurchen aus trauter Zweisamkeit mehr werden kann. (Uni Jena)



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