14. März 2013, Hochschulen

Nachweis von Wasser auf entfernten Sternen

Die höchsten Geburtsraten unter den Sternen lassen sich um mindestens eine Milliarde Jahre früher verzeichnen als bisher angenommen. Das haben Beobachtungen mit dem Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) ergeben, das am 13. März 2013 offiziell eröffnet wurde. Die Ergebnisse sind soeben in einer Reihe von drei Fachartikeln erschienen, die unter anderem über den Nachweis von Wasser in der bis jetzt größten bekannten Entfernung berichten. Erstautor einer der Veröffentlichungen ist Axel Weiß vom Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie.

Sterne entstehen in Schüben. Während eines solchen Ausbruchs, „Starburst“ genannt, setzen Galaxien mit hoher Geschwindigkeit gewaltige Mengen von kosmischem Gas und Staub in neue Sonnen um. Dieser Prozess erfolgt viele hundert Mal schneller als in normalen Galaxien wie etwa unserer Milchstraße. Ein Blick weit hinaus in die Tiefen des Universums und damit gleichzeitig zurück in dessen Vergangenheit erfasst Galaxien, deren Licht viele Milliarden Jahre unterwegs ist, ehe es die Erde erreicht. Auf diese Weise erhalten die Astronomen Zugang zur stürmischen Jugend des Alls.

„Je weiter so eine Galaxie entfernt ist, desto weiter schauen wir zurück in die Vergangenheit“, sagt Joaquin Vieira vom California Institute of Technology in den USA, der Leiter des Forschungsprojekts und Erstautor der Veröffentlichung in Nature. „Damit können wir eine Zeitleiste zusammenfügen, die uns zeigt, mit welcher Heftigkeit das Universum im Verlauf seiner inzwischen fast 14 Milliarden Jahre dauernden Geschichte neue Sterne gebildet hat.“

Das international besetzte Team hatte diese weit entfernten, rätselhaften Galaxien mit starker Sternentstehung zunächst mit dem South Pole Telescope (SPT) entdeckt, einem 10-Meter-Radioteleskop der US-amerikanischen National Science Foundation am Südpol. Anschließend hatten die Forscher detaillierte Beobachtungen mit ALMA angestellt, um die hohe Geburtenrate von Sternen im frühen Universum eingehend zu erforschen.

Die Astronomen waren überrascht, als sie herausfanden, dass viele dieser staubreichen Galaxien mit hoher Sternentstehungsrate in noch größerer Entfernung stehen als erwartet. Das bedeutet, dass sich die heftigsten Sternentstehungsausbrüche im Durchschnitt vor zwölf Milliarden Jahren ereigneten, als das All noch keine zwei Milliarden Jahre alt war – eine Milliarde Jahre früher als ursprünglich angenommen.

Zwei der beobachteten Galaxien sind die am weitesten entfernten Vertreter ihrer Art und tatsächlich so weit weg, dass die heute von ihnen beobachtete Strahlung ihre Reise begann, als der Kosmos noch keine Milliarde Jahre alt war. Darüber hinaus wiesen die Astronomen in einer dieser rekordverdächtigen Galaxien Wassermoleküle nach: das entfernteste Wasser, das jemals beobachtet wurde.
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Die Wissenschaftler haben die einzigartige Empfindlichkeit von ALMA dazu eingesetzt, die Signale von 26 dieser Galaxien bei einer Wellenlänge von drei Millimetern zu erfassen. Die Strahlung wird von Gasmolekülen in den Galaxien bei ganz bestimmten charakteristischen Wellenlängen hervorgerufen. Während der Milliarden von Jahren, die das Signal zu uns unterwegs ist, werden die Wellenlängen durch die Expansion des Raums auseinandergezogen.

Die Forscher messen diese kosmische Rotverschiebung und berechnen daraus, wie lange die Strahlung durch das Weltall gereist ist. Auf diese Weise können sie jeder Galaxie den richtigen Platz in der Geschichte des Universums zuweisen.

„Die Empfindlichkeit von ALMA und der große Wellenlängenbereich, den wir gleichzeitig erfassen können, bedeutet für uns, dass wir für jede Galaxie nur wenige Minuten Messzeit benötigen – das ist hundert Mal schneller, als das vorher möglich war“, sagt Axel Weiß vom Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie, der das Projekt zur Entfernungsbestimmung geleitet hat. „In den Zeiten vor ALMA bedeutete eine derartige Messung einen ziemlich zeitaufwändigen Prozess, bei dem Beobachtungsdaten von optischen und von Radioteleskopen miteinander verknüpft werden mussten.“

Bei den meisten Galaxien ließ sich die Entfernung allein über die ALMA-Beobachtungen ermitteln, in einigen Fällen kombinierte das Team die ALMA-Daten aber noch zusätzlich mit Messungen von anderen Teleskopen, darunter auch das Atacama Pathfinder Experiment (APEX) und das Very Large Telescope (VLT) der ESO.

Für diese Studie haben die Astronomen nur einen Teil von ALMA genutzt, nämlich 16 der insgesamt 66 großen Antennenschüsseln; die Anlage, 5000 Meter über dem Meeresspiegel auf dem abgelegenen Chajnantor-Plateau in den chilenischen Anden gelegen, befand sich noch im Bau.

Nicht zuletzt aus diesem Grund haben sich die Astronomen bisher auf die helleren Galaxien konzentriert – und dabei die Natur genutzt: den Gravitationslinseneffekt. Dieses Phänomen, von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie vorhergesagt, verzerrt die Abbilder einer fernen Galaxie durch den Einfluss des Schwerefelds einer näher gelegenen Vordergrundgalaxie. Das Objekt im Vordergrund verhält sich dabei wie eine Art Linse, welche die ferne Galaxie zudem heller erscheinen lässt.

Um präzise nachvollziehen zu können, wie stark der Gravitationslinseneffekt die Galaxien aufgehellt hat, haben die Wissenschaftler zusätzliche ALMA-Beobachtungen bei Wellenlängen um die 0,9 Millimeter vorgenommen, die besonders scharfe Aufnahmen geliefert haben.

„Diese wunderschönen ALMA-Bilder zeigen uns, wie die Hintergrundgalaxien sich zu Lichtbögen verformen, die die Vordergrundgalaxien umgeben, sogenannte Einsteinringe“, erklärt Yashar Hezaveh von der McGill University im kanadischen Montreal, der die Studie zum Gravitationslinseneffekt geleitet hat. „Wir verwenden sozusagen die gigantischen Mengen Dunkler Materie, welche die Galaxien überall im Universum umgibt, als kosmische Teleskope. Dadurch erscheinen die Systeme größer und heller.”

Die Analyse der Verzerrungen hat ergeben, dass einige der fernen Starburstgalaxien bis zu 40 Billionen (40 Millionen Millionen) mal so hell leuchten wie unsere Sonne. Hinzu kommt ein Verstärkungseffekt um einen Faktor von bis zu 22.

„Bisher ließen sich nur wenige Galaxien, bei denen der Gravitationslinseneffekt eine Rolle spielt, bei Submillimeterwellenlängen nachweisen. Aber jetzt haben das SPT und ALMA gleich mehrere Dutzend davon ausfindig gemacht”, sagt Carlos De Breuck von der ESO. Diese Art von Untersuchungen seien bisher hauptsächlich im sichtbaren Licht durchgeführt worden, etwa mit dem Weltraumteleskop Hubble. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass ALMA auf diesem Gebiet eine Menge zu leisten vermag.” (MPG, HOR / NJ)
Bild: ALMA (ESO/NRAO/NAOJ), Y. Hezaveh et al.



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