Molekulare Medizin und Medien
Fernsehen bildet! Diese Aussage trifft zumindest auf die meisten heutigen Wissenschaftssendungen des deutschen Fernsehens zu. Allerdings: „Information allein reicht nicht aus, damit Wissenschaft verständlich wird“, sagt Prof. Dr. Georg Ruhrmann von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Der Kommunikationswissenschaftler und sein Team haben in mehreren Forschungsprojekten untersucht, wie Fernsehen und andere Medien über Wissenschaft berichten und wie das bei Zuschauern und Lesern ankommt. Die Forschungsergebnisse liegen jetzt in Buchform vor: „Molekulare Medizin und Medien“ heißt der Band, der von Prof. Ruhrmann und seinen Mitarbeiterinnen Dr. Jutta Milde und Arne Freya Zillich herausgegeben worden ist.
In ihrer Studie beleuchten die Jenaer Kommunikationswissenschaftler die mediale Berichterstattung zu medizinisch-technischen Innovationen im Zeitraum zwischen 1995 und 2004. „Die Mediendarstellung ist in dieser Zeit deutlich ausgewogener und hintergründiger geworden“, unterstreicht Prof. Ruhrmann. So dominierten bis weit in die 1990er Jahre hinein Berichte über die möglichen Risiken etwa der Gentechnik, betont Ruhrmann und erinnert an die Debatte, die das Klonschaf „Dolly“ im Jahr 1997 weltweit ausgelöst hat. Diese Risiko-Orientierung sei inzwischen einer eher nutzenorientierten Berichterstattung gewichen, so der Inhaber des Lehrstuhls für Grundlagen der medialen Kommunikation und der Medienwirkung der Uni Jena. „Außerdem ist ein deutlicher Trend zur Versachlichung der Diskussion unverkennbar.“ Während das Klonschaf „Dolly“ vorwiegend Politiker in die Medienarena gerufen habe, dominierten mittlerweile sowohl in der Presse als auch im Fernsehen die Wissenschaftler selbst den Diskurs.
„Vor allem der TV-Wissenschaftsjournalismus hat sich in den letzten Jahren weiter differenziert“, so Prof. Ruhrmann. Inhaltlich sei er serviceorientierter und unterhaltsamer geworden. Außerdem gebe es mehr und bessere Bilder, die umfassender und journalistischer eingeordnet und erklärt werden. Dies sei ein Gewinn für die Zuschauer, unterstreicht der Jenaer Medienbeobachter. „Denn Zuschauer fühlen sich dann vor allem umfassend informiert, wenn die Themen in einen gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen, verbraucherpolitischen oder auch wissenschaftlichen Zusammenhang gestellt werden.“
Gerade das Wissenschaftsfernsehen nutze zunehmend seine besonderen Möglichkeiten der Wissensvermittlung. „Bilder und Filmbeiträge wirken viel eindringlicher und stärker als gelesene oder gesprochene Texte“, weiß Medien-Experte Ruhrmann. Es treffe nicht zu, dass Laien Wissenschaft erst dann verstehen würden, wenn sie möglichst umfassend und mit als evident deklariertem Fachwissen versorgt würden.
Insgesamt, so das Fazit der Jenaer Kommunikationswissenschaftler, lasse sich empirisch zeigen, dass aus der vergleichsweise kontroversen Diskussion von molekular-medizinischen Themen in den deutschen Medien während der zurückliegenden Jahre eine öffentliche Akzeptanz erwachsen ist. „Diese erweist sich als nachhaltig“, so Studienleiter Ruhrmann. In den USA, wo professioneller Wissenschaftsjournalismus diese Kontroversen nicht kannte, stellen heute u. a. evangelikale Fundamentalisten biowissenschaftliche Erkenntnisse in Frage. Hierzulande steht die Bevölkerung der modernen Biologie und Medizin mehrheitlich aufgeklärt und aufgeschlossen gegenüber.
Bibliografische Angaben:
Georg Ruhrmann, Jutta Milde, Arne Freya Zillich (Hg.): „Molekulare Medizin und Medien. Zur Darstellung und Wirkung eines kontroversen Wissenschaftsthemas“, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2011, 227 Seiten, Preis 29,95 Euro, ISBN 978-3-531-17385-6 (Uni Jena)
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