9. März 2014, Uni Jena

Kohlenmonoxid für die Medizin nutzen

Es ist ein geruchloses, unsichtbares Gas und ein tödliches Gift: Wird Kohlenmonoxid – chemisch kurz CO – eingeatmet und gelangt ins Blut, verhindert es den lebensnotwendigen Sauerstofftransport und das führt unweigerlich zum Erstickungstod. Umso mehr mag es verwundern, dass das gefährliche Gas in zunehmendem Maße für Anwendungen in der Medizin im Gespräch ist. Denn CO ist nicht nur giftig, sondern hat auch nützliche Seiten: So kann das Gas Entzündungsreaktionen hemmen und bei Organtransplantationen die transplantierten Organe vor Zellschäden schützen.

„Doch die sich daraus ergebenden vielversprechenden Anwendungsmöglichkeiten sind bisher in der Praxis nicht umsetzbar“, sagt Prof. Dr. Alexander Schiller von der Universität Jena. Denn: „Voraussetzung für einen solchen Einsatz von Kohlenmonoxid wäre es, das Gas kontrolliert und ausschließlich am gewünschten Ort zu applizieren“, erklärt der Chemiker. Gemeinsam mit einem interdisziplinären Team hat Prof. Schiller jetzt in der Fachzeitschrift „Journal of Materials Chemistry B“ ein lichtsensibles Polymer-Vlies vorgestellt, das genau das möglich machen könnte. Es setzt kontrolliert CO frei und ist damit prinzipiell als Material für biomedizinische Anwendungen geeignet (DOI: 10.1039/c3tb21649g).

Entwickelt wurde das Vlies im Rahmen der DFG-Forschergruppe „Häm und Häm-Abbauprodukte“ der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Neben Wissenschaftlern der Universität sind daran auch Forscher des Jenaer Uniklinikums, des Leibniz-Instituts für Photonische Technologien (IPHT) und des INNOVENT e. V. beteiligt. Bei der Neuentwicklung handelt es sich um eine Metall-Carbonyl-Verbindung, die zusammen mit einem Polymer zu einer Faser von etwa einem Mikrometer (Tausendstel Millimeter) Durchmesser gesponnen wird, aus der ein dichtes zweidimensionales Vlies entsteht.

Die entscheidende Eigenschaft des Materials ist jedoch sein integrierter „Lichtschalter“. Wird das Polymer mit violettem oder blauem Licht bestrahlt, setzt es CO-Gas frei – in Dunkelheit dagegen nicht. „Auf diese Weise lässt sich die Gasfreisetzung über die Lichteinstrahlung elegant und präzise steuern“, so Schiller. Das macht das Material nicht nur für einen Einsatz im medizinischen Bereich interessant. Auch zur Eichung von Gassensoren ließe sich das inzwischen patentierte System nutzen und die bisher übliche Verwendung von CO-Gas in Druckflaschen ersetzen.

Das Potenzial der Jenaer Entwicklung hat auch die Herausgeber des Fachjournals überzeugt, in dem Prof. Schiller und sein Team die Ergebnisse vorgestellt haben: Die Jenaer Forscher wurden aufgefordert, für die aktuelle Ausgabe das Titelbild zu entwerfen.

Original-Publikation: Bohlender C et al. Light-triggered CO release from nanoporous non-wovens, Journal of Materials Chemistry B (2014), DOI: 10.1039/c3tb21649g (Uni Jena)



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