Durchbruch bei Erforschung des Hoyle-Zustands von Kohlenstoff-12
Ein internationales Forscherteam mit Beteiligung der Ruhr-Universität Bochum, der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und der North Carolina State University hat im vergangenen Jahr erstmals den legendären Kohlenstoffkern berechnet und damit das Element nachgewiesen, das alles Leben auf der Erde ermöglicht. Jetzt berichten die Wissenschaftler über einen weiteren Durchbruch bei der Erforschung des sogenannten Hoyle-Zustands von Kohlenstoff-12: Auf einem „Schnappschuss“ einer Computersimulation ist förmlich zu sehen, wie sich Partikel zusammenschließen, um das Element zu bilden. Aus der Grafik ergibt sich eine Struktur, die wie ein gebeugter Arm aussieht. Die neuen Erkenntnisse der Forscher basieren auf Simulationen am Jülich Supercomputing Centre und erscheinen in „Physical Review Letters“.
Der Hoyle-Zustand ist eine energiereiche Form des Kohlenstoffkerns. Er ist der Bergpass, über den man von einem Tal ins andere gelangt: von drei Kernen des Gases Helium zum sehr viel größeren Kohlenstoffkern. Diese Verschmelzungsreaktion findet im heißen Inneren schwerer Sterne statt. Gäbe es den Hoyle-Zustand nicht, hätten im Weltall nur sehr wenig Kohlenstoff oder andere höhere Elemente wie Sauerstoff, Stickstoff und Eisen entstehen können. Ohne diese Art von Kohlenstoffkern wäre daher vermutlich auch kein Leben möglich gewesen. Prof. Dr. Ulf-G. Meißner vom Helmholtz-Institut für Strahlen- und Kernphysik der Universität Bonn, Prof. Dr. Evgeny Epelbaum und Dr. Hermann Krebs vom Institut für Theoretische Physik II der RUB und Prof. Dean Lee von der North Carolina State University gelang es 2011, den seit 1954 bekannten Hoyle-Zustand zu berechnen.
Kohlenstoff-12 kann nur existieren, wenn sich drei Alpha-Teilchen (oder Helium-4-Kerne) auf eine ganz bestimmte Weise zusammenschließen. Die deutschen und amerikanischen Forscher bestätigten die Existenz dieses Hoyle-Zustands mit Hilfe eines numerischen Gitters, das es ihnen ermöglichte zu simulieren, wie die Protonen und Neutronen zusammenwirken. Doch die Forscher wollten außerdem herausfinden, wie die Nukleonen (die Protonen und Neutronen im Inneren eines Atomkerns) im Kern von Kohlenstoff-12 angeordnet sind. Dies würde ihnen erlauben, die Struktur des Hoyle-Zustandes zu „sehen“. Mit Hilfe des gleichen Gitters stellten die Forscher nun zusammen mit Dr. Timo Lähde vom Forschungszentrum Jülich fest, dass die sechs Protonen und sechs Neutronen von Kohlenstoff-12 drei „Alpha-Cluster“ mit jeweils vier Nukleonen bilden. Bei geringer Energie neigten die Alpha-Cluster dazu, in einer kompakten dreieckigen Formation zusammen zu klumpen. Doch im Hoyle-Zustand, einem angeregten Zustand mit höherer Energie, schließen sich die drei Alpha-Cluster zu einer Struktur zusammen, die einem gebeugten Arm ähnelt.
„Es ist interessant, dass für den Hoyle-Zustand die bevorzugte Teilchenanordnung nicht in einer geraden Kette zu bestehen scheint“, so Prof. Dean Lee. „Eine Biegung in der Kette scheint erforderlich zu sein. Diese Arbeit führt uns zu der Frage, welche anderen Kerne über solche Alpha-Cluster-Strukturen verfügen. Dies wären in der Kernphysik ziemlich exotische Anordnungen, die einige wirklich spannende Fragen zur Form und Stabilität aufwerfen würden. Beispielsweise, ob Alpha-Cluster längere Ketten bilden können. Wir überprüfen diese Möglichkeiten.“ Prof. Evgeny Epelbaum ergänzt: „Die weitere Erforschung des Hoyle-Zustands gehört zu den interessantesten, schwierigsten und aktuellsten Herausforderungen in der Kernphysik.“
Die Arbeit der Forscher wurde finanziell unterstützt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, vom US-Energieministerium, dem Projekt HadronPhysics3 der Europäischen Union und dem Europäischen Forschungsrat sowie von der nationalen chinesischen Stiftung für Naturwissenschaft (National Natural Science Foundation of China).
Publikation: D. Lee, E. Epelbaum, H. Krebs, T. Laehde, U. Meißner: „Structure and Rotations of the Hoyle State“, Physical Review Letters (Uni Bonn)
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