12. Februar 2010, Aktuelles, Physik, Uni Greifswald

Meilenstein auf dem Weg zur "Insel der Stabilität"

Unter Mitwirkung Greifswalder Physiker ist es am GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt mit ersten direkten Massenmessungen gelungen, in ein schwer zugängliches Gebiet der Nuklidkarte der Atome vorzustoßen. Darüber wird in der aktuellen Ausgabe der international renommierten Wissenschaftszeitschrift Nature berichtet.

In dem Artikel werden Experimente vorgestellt, die einen Meilenstein auf dem Weg zur Insel der Stabilität darstellen. Damit bezeichnet man eine bestimmte Kombination der Kernbausteine Protonen und Neutronen bei neuen superschweren Atomkernen. Sie wurde bisher nur vorhergesagt. Wie der Chemiker im Periodensystem der Elemente, so findet der Kernphysiker Orientierung in der Nuklidkarte der Atomkerne.

Die Experimente einer internationalen Arbeitsgruppe unter Beteiligung von Professor Lutz Schweikhard von der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald und seinen Mitarbeitern Dr. Gerrit Marx und Dipl.-Phys. Christian Droese haben nun Licht ins Dunkel des schwer zugänglichen Gebietes der Nuklidkarte der Atome gebracht. Dabei wurde direkt zum Element Nobelium (Ordnungszahl 102) vorgestoßen. Bei den Messungen handelt es sich um die ersten direkten Massenbestimmungen von Atomkernen jenseits von Uran (Ordnungszahl 92). Die Masse der Atomkerne ist eine Schlüsselgröße zur Charakterisierung ihrer Stabilität, denn in ihr bündeln sich alle Bindungskräfte. Mit Einsteins berühmter Formel E = mc2 ergibt sich aus dem Massendefekt – d. h. der Masse, die den Kernen gegenüber der Summe der Protonen- und Neutronenmassen fehlt – ein definiertes Maß der Stabilität.

Die nun experimentell ermittelten Werte liefern Informationen über die untersuchten Kerne und ermöglichen die genauere Vorhersage der Insel der Stabilität der superschweren Kerne. Bisher konnten die Kernmassen nur indirekt über die Bestimmung der beim Kernzerfall frei werdenden Energie bestimmt werden. Besser ist die direkte Messung, die jetzt dem internationalen Team gelungen ist.

Die Kerne für dieses Experiment werden mit einem Teilchenbeschleuniger an der GSI erzeugt. Dort wurden Nobelium-Atome hergestellt, die schließlich in einer sogenannten Penning-Falle gezielt vermessen wurden. Prof. Schweikhard und seine Mitarbeiter sind Spezialisten für diese Ionenfallen, die sie auch am Institut für Physik der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald für Untersuchungen an Nanoteilchen einsetzen.

Die Massen der drei Nobeliumisotope No-252, No-253 und No-254 wurden so auf fünf Millionstel Prozent bestimmt, dies entspricht zwei Metern im Vergleich zum Erdumfang von vierzigtausend Kilometern.

Allerdings gibt es auch nach diesen wissenschaftlichen Erfolgen noch viele ungeklärte Fragen. In Kürze will der Forschungsverbund, in dem die Greifswalder Physiker Hand in Hand mit Kollegen aus Darmstadt, Gießen, Heidelberg, München sowie aus Finnland, Italien, Russland und Spanien arbeiten, die nächstschwereren Elemente jenseits von Nobelium angehen. Die Greifswalder Grundlagenuntersuchungen zur Struktur der schwersten Atomkerne werden vom Programm Forschung und Entwicklung der GSI sowie vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert. Die Ergebnisse der Grundlagenforschung zu Atomkernen werden unter anderem von Wissenschaftlern und Entwicklern genutzt, die sich mit Spurenanalyse, Materialforschung und medizinischen Anwendungen befassen. (Uni Greifswald)



» Diesen Artikel via Mail weiterempfehlen





Schreiben Sie einen Kommentar »



Das könnte Sie auch interessieren:

Genaueste Atomwaage für kurzlebige Ionen noch präziser

An der SHIPTRAP-Apparatur am Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung GSI in Darmstadt ist es unter Beteiligung Greifswalder Physiker gelungen, die Präzision der genauesten Atomwaage für kurzlebige Ionen nochmal entscheidend zu steigern. In einem Pilotexperiment an zwei Xenon-Isotopen konnten die Forscher eine völlig…

Bild: privat

Rechtliche Bedingungen der Untersuchungshaft in Europa

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat für ein Forschungsprojekt an der Universität Greifswald 250.000 Euro bewilligt. Das Projekt Untersuchungshaft in Europa wird von Dr. Christine Morgenstern am Lehrstuhl für Kriminologie (Prof. Dr. Frieder Dünkel) geleitet. Ziel ist, rechtliche und praktische Bedingungen…

Mikrobielle Vorgänge im marinen Lebensraum

Mit neuen molekularbiologischen Untersuchungsmethoden konnten Wissenschaftler aus Greifswald und Bremen erstmals komplexe mikrobielle Vorgänge im marinen Lebensraum nachweisen und genauestens charakterisieren. Koordiniert durch Prof. Dr. Rudolf Amann vom Max-Plank-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen und Prof. Dr. Thomas Schweder von…

Bild: Hans-Werner Hausmann, Uni Greifswald

Metallfunde aus der Bronzezeit im Tollensetal gefunden

Archäologische Forschungstaucher haben im Ausgrabungsgebiet Tollensetal herausragende Metallfunde aus der Bronzezeit geborgen. Dazu gehören unter anderem ein Goldspiralring und in Deutschland bislang einmalige Zinnringe. Die Fundstücke sind rund 3.300 Jahre alt. Sie passen in die Zeitphase in der bisherigen Ergebnissen…

Greifswalder Sommerakademie Orgel 2011

Am Donnerstag, dem 25. August 2011, beginnt in Greifswald die 16. Greifswalder Sommerakademie Orgel. Bis zum Wochenende werden Organisten aus Deutschland und dem Baltikum das Buxheimer Orgelbuch sowie Orgelmusik von Alexandre Guilmant studieren. Am Sonntag, dem 28. August 2011, bieten…

Weitere Beiträge zum Thema: