20. Februar 2013, Uni Greifswald

Genaueste Atomwaage für kurzlebige Ionen noch präziser

An der SHIPTRAP-Apparatur am Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung GSI in Darmstadt ist es unter Beteiligung Greifswalder Physiker gelungen, die Präzision der genauesten Atomwaage für kurzlebige Ionen nochmal entscheidend zu steigern. In einem Pilotexperiment an zwei Xenon-Isotopen konnten die Forscher eine völlig neue Messmethode demonstrieren. Sie erzielten innerhalb weniger Minuten relative Massengenauigkeiten auf die neunte Stelle nach dem Komma. Grundlage bildet die Kreisbewegung der Ionen in einem Magnetfeld, die erstmals auf einem ortsempfindlichen Detektor abgebildet wurde.

Über diesen Durchbruch in der Präzisions-Massenspektrometrie berichten die Forscher in der neuesten Ausgabe der Fachzeitschrift Physical Review Letters.

Präzisionsmassenmessungen an kurzlebigen Ionen werden zumeist mit Penningfallen durchgeführt. Darin kreisen die Ionen mit Umlaufzeiten, die proportional zu ihren Massen sind. Aus der experimentell bestimmten Frequenz kann damit sofort auf die Masse zurückgeschlossen werden. Zur Frequenzmessung werden die Ionen durch einen Hochfrequenzpuls angeregt. Beim bisher etablierten Verfahren wurde lediglich nachgewiesen, ob die Resonanzfrequenz getroffen wurde oder nicht. Bei zwei Ionen mit fast gleicher Masse kann dies aber kaum unterschieden werden. Im Analogiebild einer Uhr wurde praktisch nur gemessen, wie oft der Sekundenzeiger umläuft.

Beim neuen Verfahren, das die SHIPTRAP-Forschungsgruppe unter Leitung Heidelberger Physiker nun einführte, werden die Ionen genau verfolgt. Dazu werden sie durch Anlegen geeigneter elektrischer Spannungen senkrecht zu ihrer Kreisbewegung aus der Falle ausgeworfen und ihr Einschlag auf einem ortsempfindlichen Detektor nachgewiesen. Wird dieses Verfahren einmal zu Beginn der Kreisbewegung (Start) und dann nach einer definierten Zeitspanne (Stopp) durchgeführt, so erhält man aus dem Abstand der Einschlagstellen die Umlauffrequenz mit weit höherer Genauigkeit, als es durch bloßes Abzählen der Umläufe möglich wäre. Außerdem können so auch Ionen mit kleinsten Massendifferenzen unterschieden werden, da sie zwar gleich viele ganze Umläufe vollführen, aber jeweils ein bisschen mehr oder weniger weit auf ihrer Kreisbahn gekommen sind, sich also im Auftreffpunkt des Detektors ein wenig voneinander abweichen.

Wie bei zwei Uhren, die zwar fast gleich, aber eben doch ein klein wenig unterschiedlich schnell gehen, vergrößert sich im Laufe der Zeit der Zeigerabstand (Phasenwinkel). Dies führt zu einer 40-fach besseren Auflösung und einer bis zu fünfmal höheren Genauigkeit. Anders ausgedrückt: Mit der neuen Methode kann man Ionenmassen bei gleicher Genauigkeit 25-mal schneller messen. Dies ist insbesondere bei der Untersuchung instabiler Atomkerne von enormer Bedeutung, da sie oft schon nach einem Bruchteil einer Sekunde nach ihrer Erzeugung wieder zerfallen. Deshalb können sie auch nur in speziellen Beschleunigereinrichtungen wie zum Beispiel dem europäischen Forschungszentrum CERN oder der GSI in Darmstadt untersucht werden.

An diesen beiden Wissenschaftszentren sind auch der Greifswalder Physiker Professor Dr. Lutz Schweikhard und Mitglieder seiner Arbeitsgruppe tätig. So arbeitet sein Doktorand, Dipl.-Phys. Christan Droese in der SHIPTRAP-Kollaboration an der GSI an der Entwicklung und Anwendung von Methoden der Präzisionsmassenmessung. Über die hochgenauen Massenwerte kann auf die Bindungsenergie der Atomkerne geschlossen werden. Dies wiederum ist bedeutsam beispielsweise für Untersuchungen zur Entstehung der Elemente im Universum oder die Stabilität superschwere Elemente, einer besonderen Spezialität der GSI. (Uni Greifswald)



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