29. Dezember 2010, Aktuelles, TU Chemnitz

Zerstörungsfreie Messmethode für die Oberflächenstruktur weicher Materialien

Um weiche Oberflächen von Kunststoffen, Flüssigkeiten oder lebenden Zellen abbilden zu können, nutzen Forscher weltweit die Rasterkraftmikroskopie im Tastmodus. Dabei wird die Form der Oberfläche zeilenweise mit einer sehr feinen, vibrierenden Spitze abgetastet, die dabei nur wenige Nanometer tief in die weiche Oberfläche eindringt. Dieses geringe Eindringen der Spitze wurde bisher als ein unerwünschter Nebeneffekt dieser Messmethode angesehen und die Darstellung der Oberfläche war nur als Fläche möglich. Eike-Christian Spitzner, Christian Riesch und Prof. Dr. Robert Magerle von der Professur Chemische Physik der Technischen Universität Chemnitz nutzen jedoch das Eindringen der Spitze zur räumlichen Darstellung oberflächennaher Schichten weicher Kunststoffe. Ihre aktuellen Forschungsergebnisse wurden nun in der Online-Ausgabe der renommierten Zeitschrift “ACS Nano” der American Chemical Society veröffentlicht ( http://dx.doi.org/10.1021/nn1027278 ).

Das von den Physikern entwickelte Messverfahren funktioniert ähnlich wie das Abtasten eines Handrückens: Die vibrierende Spitze berührt die Oberfläche wie ein Finger die Handoberfläche. Bei etwas mehr Druck gibt das weiche Gewebe unter der Haut nach und mit dem Finger können harte und weiche Stellen unter der Oberfläche ertastet werden. Wird der Finger zurückgezogen, nimmt das Gewebe des Handrückens wieder seine ursprüngliche Form an. Auch die Spitze des Rasterkraftmikroskops kann problemlos bis zu einem gewissen Punkt in die Oberfläche des weichen Kunststoffes eindringen, ohne sie dauerhaft zu verformen.

Mit dieser neuen Messmethode haben die Chemnitzer Forscher unter anderem elastomeres Polypropylen (ein synthetisches Gummi) untersucht und unter seiner Oberfläche die Form nur 15 Nanometer breiter kristalliner Lamellen ertastet, die wie eine Canyon-Landschaft im Nanokosmos aussieht. Die Breite der “Höhenzüge” ist etwa 2.000 Mal kleiner als der Durchmesser eines menschlichen Haares. Die Physiker konnten zeigen, dass die Oberfläche des Kunststoffs völlig glatt ist und die harten, kristallinen Lamellen fünf bis 15 Nanometer unter einer weichen Schicht von amorphem Polypropylen liegen. Die Oberkante der Lamellen ist dabei nicht glatt, sondern es konnten Fugen zwischen den etwa 20 Nanometer großen kristallinen Blöcken ertastet werden, die – um beim Vergleich mit dem Handrücken zu bleiben – den Knöcheln entsprechen.

Die neue Messmethode ist zerstörungsfrei und kann vielfältig für die Analyse von Kunststoffoberflächen eingesetzt werden. Sie verspricht neue Einblicke unter die Oberfläche weicher Materialien, die für das Verständnis ihrer Oberflächeneigenschaften wie Haftung und Reibung entscheidend sind. (TU Chemnitz)



» Diesen Artikel via Mail weiterempfehlen





Schreiben Sie einen Kommentar »



Das könnte Sie auch interessieren:

TU Chemnitz: Elektromobilität im Feldversuch

Nachhaltige Mobilität ist eine wichtige Herausforderung der Gegenwart. Elektrofahrzeuge können bereits heute den Großteil der Fahrten eines durchschnittlichen Autofahrers im Stadtgebiet bewältigen. Insbesondere die Kombination von Elektrofahrzeugen mit Car-Sharing-Systemen kann einen ersten Ansatz für neue Mobilitätskonzepte liefern. Jedoch erfordert dies…

Dissertation: Einblick in das Leben und Arbeitsleben von Piloten

Heute Paris und Barcelona, morgen Helsinki und Berlin – Piloten sind ständig auf Achse. Die “Entgrenzung der mobilen Lebensführung von Piloten” untersuchte Soziologe Norbert Huchler in seiner Dissertation an der Technischen Universität Chemnitz. Seine Ergebnisse sind nun unter dem Titel…

Bild: TU Chemnitz/Mario Steinebach

Der ideale Skistiefel aus wissenschaftlicher Sicht

“Ein Skischuh ist kein bequemer Hausschuh, sondern ein Sportgerät”, ruft Robert Hecht all jenen zu, für die beim Kauf von Skischuhen ein hohes Komfortempfinden wichtiger ist als die funktionellen Eigenschaften. Der Wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut für Sportwissenschaft der Technischen Universität…

Leuchtturm-Preis 2012 für Präventionsprojekt HUCKEPACK

Kinder im Vorschulalter, die Schwierigkeiten haben, ihre eigenen Emotionen zu kontrollieren, laufen Gefahr, mit steigendem Alter immer aggressiveres Verhalten an den Tag zu legen. Diese Beobachtung ist Grundlage für das Projekt HUCKEPACK, das die Professur für Allgemeine Psychologie und Biopsychologie…

Lauf-KulTour: Staffellauf rund um Deutschland geht zu Ende

Der 4.000 Kilometer lange Non-Stop-Staffellauf rund um Deutschland von Studenten der Technischen Universität Chemnitz geht am 21. September 2012, zu Ende. An jedem der zurückliegenden 16 Tage ist dann das Team des Vereins Lauf-KulTour rund 250 Kilometer voran gekommen, was…

Weitere Beiträge zum Thema: