Integration der europäischen Mikrostaaten in die Europäische Union
Sie sind zwischen 0,4 und 468 Quadratkilometer groß und haben 800 bis 84.000 Einwohner: die fünf europäischen Mikrostaaten Vatikanstadt, Monaco, San Marino, Liechtenstein und Andorra. Alle haben sie Grenzen zur Europäischen Union (EU), die meisten sind sogar ganz von ihr eingeschlossen. “Dennoch sind sie der EU gegenüber Drittstaaten, sie sind keine EU-Beitrittskandidaten”, fasst Katrin Friese zusammen, die an der TU Chemnitz im Fach Europastudien zum Thema “Die europäischen Mikrostaaten und ihre Integration in die Europäische Union – Andorra, Liechtenstein, Monaco, San Marino und Vatikanstadt auf dem Weg in die EU?” promoviert hat. “Trotzdem sind die Mikrostaaten in gewissem Maße in die EU integriert und genießen Vorteile, die eigentlich nur eine EU- Mitgliedschaft mit sich bringt”, so Friese weiter. In ihrer Dissertation analysiert die Chemnitzerin sowohl den aktuellen Stand der Integration als auch die mögliche zukünftige Entwicklung.
Wirtschaftlich betrachtet zählen die europäischen Mikrostaaten zu den erfolgreichsten Ländern der Welt. “Die Integration der Mikrostaaten in die EU gestaltet sich sehr komplex”, sagt Friese und erklärt: “Alle Mikrostaaten haben diplomatische Beziehungen mit der EU aufgebaut und diese schrittweise vertieft. Dabei kann man im Allgemeinen davon ausgehen, dass die Mikrostaaten von ihrer Integration in die EU profitieren.” Am stärksten integriert ist Liechtenstein – so ein Ergebnis der Promotion – das Land ist Mitglied in der Europäischen Freihandelsassoziation und im Europäischen Wirtschaftsraum. Ebenfalls sehr stark integriert ist Monaco, die Basis dafür sei allerdings die enge Beziehung zu Frankreich und nicht ein Abkommen mit der EU, wie Friese betont. “Andorra und San Marino sind sich hinsichtlich ihrer Integration am ähnlichsten, da sie jeweils vor allem sektorale Abkommen mit der EU abgeschlossen haben und teilweise durch ihre Beziehungen zu den Nachbarstaaten indirekt integriert werden”, so die TU-Absolventin weiter. Der Vatikan nehme eine Sonderrolle ein und sei nur minimal in die EU integriert.
Prinzipiell könnten die Mikrostaaten – mit Ausnahme des Vatikans – einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft stellen. “Fraglich wäre allerdings, ob die Mikrostaaten bereit und in der Lage wären, die aus der Mitgliedschaft entstehenden Pflichten zu erfüllen”, sagt Friese. Außerdem würden die Mikrostaaten schon heute von der EU profitieren, so dass sie einen Beitritt nicht unbedingt als erforderlich betrachteten. “Weiterhin sehen die Mikrostaaten bei einem Beitritt ihre souveräne Gesetzgebungshoheit in Gefahr”, sagt Friese, die zu diesem Thema Experteninterviews mit Vertretern der Mikrostaaten sowie der Europäischen Union geführt hat.
Auch aus Sicht der EU sieht Friese einen Beitritt der Mikrostaaten als fraglich: “Es ist unklar, ob die EU bereit wäre, neue Mitglieder aufzunehmen, und ob alle Mitgliedstaaten einem Beitritt zustimmen würden.” Der Wille zur Integration in die EU werde derzeit am stärksten geäußert von Andorra, gefolgt von San Marino, Liechtenstein, Monaco und schließlich dem Vatikan, legt Friese in ihrer Dissertation dar. “Ein EU-Beitritt der Mikrostaaten ist in näherer Zukunft unwahrscheinlich, kann aber längerfristig nicht ausgeschlossen werden. Alternativ wäre an eine Sonderform der Assoziierung, die Mitgliedschaft weiterer Mikrostaaten im Europäischen Wirtschaftsraum, oder eine Sonderform der Mitgliedschaft mit abgeschwächten Rechten und Pflichten für die Mikrostaaten zu denken. Letzteres wird jedoch von den Mikrostaaten überwiegend abgelehnt”, fasst Friese zusammen.
“Die mit magna cum laude bewertete Doktorarbeit schließt eine aktuelle Forschungslücke und wird der Diskussion über die Rolle der Mikrostaaten im europäischen Integrationsprozess neuen Auftrieb geben”, schätzt Prof. Dr. Matthias Niedobitek, Inhaber der Professur für Europäische Integration, ein. Er hat die Dissertation gemeinsam mit Prof. Dr. Frank-Lothar Kroll, Professur für Europäische Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, betreut. “Bei dieser Promotion am Institut für Europäische Studien handelt es sich insofern um eine Premiere, als Katrin Friese zur ersten Generation der Europa-Studenten gehört. Sie nahm das Studium im Wintersemester 2001/2002 auf, als die Europa-Studiengänge an der TU Chemnitz gerade neu eingeführt wurden”, so Niedobitek. (TU Chemnitz)
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