6. Dezember 2011, Uni Bonn

Angleichung von Sorge- und Scheidungsrecht in der EU

Zwei Juristinnen treiben die Angleichung des Familienrechts voran: Prof. Dr. Katharina Boele-Woelki von der Universität Utrecht (Niederlande) erhält den mit 250.000 Euro dotierten Anneliese Maier-Forschungspreis der Alexander von Humboldt-Stiftung. Davon wird eine Forschungskooperation mit Prof. Dr. Nina Dethloff von der Universität Bonn finanziert. Die beiden führenden Expertinnen wollen untersuchen, wie sich etwa das Sorge- und das Scheidungsrecht in der Europäischen Union weiter angleichen lässt. Davon könnten vor allem die 16 Millionen internationalen Ehen in der EU profitieren.

Wie lange müssen Ehepartner getrennt leben, um sich scheiden zu lassen? In einigen EU-Staaten sind vier, in anderen überhaupt keine Trennungsjahre erforderlich. Manche Länder sehen bei der Heirat Gütergemeinschaften vor, in anderen bleibt das Vermögen bei den Eheleuten. Wer erhält nach einer Trennung das Sorgerecht für die Kinder? Wie ist das Erbrecht geregelt? In der Europäischen Union herrschen große Unterschiede im Familienrecht vor. Das bekommen insbesondere die 16 Millionen Ehen in Europa zu spüren, deren Ehepartner aus verschiedenen Ländern kommen. “Diese Ehepaare und ihre Kinder würden von weniger Unterschieden profitieren”, sind sich die Juristinnen Prof. Dr. Katharina Boele-Woelki von der Universität Utrecht (Niederlande) und Prof. Dr. Nina Dethloff von der Universität Bonn einig.

“Das Familienrecht gilt traditionell als an die jeweilige Länderkultur gebunden”, sagt Prof. Dr. Katharina Boele-Woelki, Direktorin des renommierten Utrecht Centre for European Research into Family Law. “Doch mit der Globalisierung nimmt auch die Zahl internationaler Ehen zu – eine Harmonisierung zumindest auf europäischer Ebene ist dringend erforderlich.” Die Wissenschaftlerinnen vergleichen die Rechtssysteme der EU-Staaten und arbeiten nach dem Motto “Gleiches Recht für alle!” Modelle für europäisch einheitliche Lösungsansätze heraus. “Einige Gesetzgeber haben sich bereits an unseren Vorschlägen orientiert”, sagt Prof. Dr. Nina Dethloff, Direktorin des Instituts für Deutsches, Europäisches und Internationales Familienrecht der Universität Bonn. Die Revision des Scheidungsrechts etwa in Portugal oder des Rechts der elterlichen Verantwortung in Norwegen seien dafür ermutigende Beispiele.

Die finanzielle Unterstützung für die Zusammenarbeit der beiden Wissenschaftlerinnen fällt auf fruchtbaren Boden. “Ich habe Katharina Boele-Woelki, mit der ich schon seit vielen Jahren vor allem in der Commission on European Family zusammenarbeite, für den Anneliese Maier-Forschungspreis nominiert”, berichtet Prof. Dethloff. “Mithilfe des Preises wollen wir die Forschung auf unserem Gebiet voranbringen.” Die Humboldt-Stiftung habe mit der Verleihung des einzigen Preises im Bereich der Rechtswissenschaften an Prof. Boele-Woelki ein Zeichen zur Stärkung des internationalen und vergleichenden Familienrechts als einem zukunftsweisenden Forschungsgebiet von großer gesellschaftlicher Relevanz gesetzt. “Bislang fehlt es in Deutschland – anders als in anderen Ländern – an einer wirkungsvollen Forschungsförderung auf dem Gebiet des international ausgerichteten Familienrechts”, sagt Prof. Dethloff.

Mithilfe des Preisgelds sollen nun insbesondere junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Chance erhalten, sich im vergleichenden internationalen Familienrecht zu qualifizieren. “Es geht darum, verschiedene nationale Rechtsordnungen zu vergleichen und dann gemeinsam nach besten Lösungen zu suchen”, bringt es Prof. Boele-Woelki auf den Punkt. “Wir wollen ein gemeinsames Dach für die bislang weitgehend isoliert verlaufende vergleichende Familienrechtsforschung schaffen”, ergänzt Prof. Dethloff.

Die Alexander von Humboldt-Stiftung vergibt erstmals den mit 250.000 Euro dotierten Anneliese Maier-Forschungspreis. Im Herbst 2012 wird der Preis an sieben Kandidaten verliehen. Er soll die Internationalisierung der Geistes- und Sozialwissenschaften in Deutschland unterstützen, indem Forschungskooperationen herausragender ausländischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit hiesigen Fachkollegen finanziert werden. Nominiert werden die Forscher von wissenschaftlichen Kooperationspartnern an deutschen Universitäten und Forschungseinrichtungen. (Uni Bonn)



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