Wirtschaftskriminalität bei der Privatisierung der DDR-Betriebe
20 Jahre nach der Wiedervereinigung liegt jetzt die erste wissenschaftlich fundierte Analyse über das Ausmaß der Wirtschaftskriminalität bei der Privatisierung der DDR-Betriebe vor: Die Autoren des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekts, der Strafrechtler Prof. Dr. Hans Theile von der Universität Konstanz, der Kriminologe Prof. Dr. Klaus Boers und die Strafrechtlerin Prof. Dr. Ursula Nelles von der Universität Münster, haben zudem untersucht, inwieweit die Strukturen der Treuhandanstalt kriminelle Handlungen nicht nur ermöglicht, sondern möglicherweise sogar begünstigt haben. Das DFG-Projekt lief vier Jahre, seine Ergebnisse sind nun in dem Buch „Wirtschaftskriminalität und die Privatisierung der DDR-Betriebe“ nachzulesen.
Es war eines der spannendsten Kapitel der deutschen Wirtschaftsgeschichte: die Privatisierung aller “Volkseigenen Betriebe” (VEB) der DDR nach der Wiedervereinigung. Von März 1990 bis Ende 1994 standen die Mitarbeiter der eigens gegründeten Treuhandanstalt (THA) vor der beispiellosen Aufgabe, 8.490 Betriebe nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen zu privatisieren oder notfalls stillzulegen – Millionen ehemalige DDR-Bürger waren von der Umstrukturierung betroffen. Fast täglich gab es Berichte und Klagen über Fördermittelmissbrauch und Straftaten wie beispielsweise Bilanzfälschung, Unterwert-Verkauf oder Bestechung. Doch zumeist blieb es bei einer punktuellen Berichterstattung.
Basis des 684 Seiten starken Buchs der drei Autoren sind 76 mehrstündige Interviews mit Personen, die seinerzeit an der Privatisierung und der strafrechtlichen Aufarbeitung beteiligt waren – Politiker, Geschädigte, Staatsanwälte, Richter, Strafverteidiger, Beschuldigte und zahlreiche zum Teil ehemals hochrangige Treuhand-Mitarbeiter. Der Tenor der Gespräche ist eindeutig: Während die Politik einen möglichst schnellen und geordneten ökonomischen Wandel im Blick hatte, war die Mehrzahl der Investoren auf einen schnellen Gewinn aus.
„Und dieser Interessengegensatz“, schreiben die Wissenschaftler, „begünstigte das Begehen von Straftaten.“ Als nachteilig habe sich dabei vor allem erwiesen, dass die Bundesregierung der Treuhandanstalt „weitgehend freie Hand ließ“. Auch habe es an internen Privatisierungsrichtlinien gemangelt. Ein 1992 von der THA-Leitung herausgegebenes „Privatisierungshandbuch“ sei „eher als unverbindlich“ aufgefasst worden. Zudem habe es erhebliche Kontrolldefizite „als Folge des politisch gewollten Primats einer schnellen Privatisierung“ gegeben.
Boers, K., Nelles, U., Theile, H. (Hrsg.): Wirtschaftskriminalität und die Privatisierung der DDR-Betriebe, Nomos-Verlag, 2010, 684 Seiten. (Uni Konstanz)
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