ERC Starting Grant für Dr. Nathan Weisz
„Brain-state dependent perception: finding the windows to consciousness“ lautet der Titel des Projekts, für das Dr. Nathan Weisz einer der begehrten ERC Starting Grants des European Research Council (ERC) erhalten hat. Dem im Bereich der Klinischen Psychologie der Universität Konstanz arbeitenden Emmy Noether-Nachwuchsgruppenleiter steht damit die maximale Förderung von 1,5 Millionen Euro zur Verfügung, um den relevanten Merkmalen bewusster Wahrnehmung auf die Spur zu kommen.
Welche neuronalen Prozesse bedingen bestimmte Inhalte bewusster Wahrnehmung, lautet die zentrale Frage. Dabei gehen Nathan Weisz, der Mitglied im Zukunftskolleg der Universität Konstanz ist, und sein Team davon aus, dass sich bewusste und unbewusste Wahrnehmung im Hirn durch ein Aktivierungsmuster unterscheiden, das dem eigentlichen Reiz vorangeht. Diese Aktivierungsmuster sollen erst identifiziert und anschließend in Echtzeitexperimenten einer strengen Prüfung unterzogen werden.
Traditionell galt die Auffassung, dass alles Wahrnehmungsrelevante im Hirn erst mit dem Reiz einsetzt. Allerdings können bewusste Wahrnehmungen auch ohne physikalischen Reiz entstehen, wie zum Beispiel beim Tinnitus zu dem Nathan Weisz seit längerem forscht. Dabei handelt es sich um die bewusste Wahrnehmung eines Tons, der allein durch intrinsische Hirnaktivität entsteht. In seinem vom ERC geförderten Projekt soll die Fragestellung vertieft werden, wie intrinsische Hirnaktivitätsmuster mit bewusster Wahrnehmung zusammenhängen. Dazu bedient sich die Gruppe zum Beispiel schwellennaher Reize, die den Versuchspersonen präsentiert werden und die manchmal wahrgenommen werden und manchmal nicht. Selbst wenn eine bewusste Wahrnehmung entsteht, muss sie nicht immer identisch sein. Was erzeugt diese Variabilität? Auf den physikalischen Reiz lässt sich dieser Unterschied nicht zurückführen.
Auf Untersuchungen aufbauend, die bestimmte Voraktivierungen von relevanten sensorischen Hirnarealen festgestellt haben, geht das Projekt von Nathan Weisz noch einen Schritt weiter: Ihm liegt die Hypothese zugrunde, dass diese Merkmalmuster in den sensorischen Hirnarealen bei bewusster Wahrnehmung in Kommunikation treten mit höher geordneten Arealen, die mit bewussten Zuständen in Verbindung gebracht werden.
Weisz spricht von einer „Prädisposition“ bzw. einem „priviligiertem Pfad des Informationsflusses“, der vorliegen muss, wenn die nachfolgende Wahrnehmung ins Bewusstsein gelangen soll. Dass sie einmal vorliegt, ein andermal nicht, erklärt der Psychologe durch eine grundlegende Varianz und Fluktuation des Gehirns: „Das Gehirn ist fortlaufend aktiv, es finden Regungen in bestimmten Hirnarealen statt, auch die Kommunikation zwischen den Hirnregionen variiert im Laufe der Zeit.“
In einem ersten Schritt des maximal fünfjährigen Projekts sollen Muster identifiziert werden, die zu bewusster Wahrnehmung führen. Im zweiten Schritt werden die Merkmalmuster einer strengeren experimentellen Prüfung unterzogen. Dabei sollen zum einen diese Prädispositionen zum Beispiel durch Hirnstimulation hergestellt werden. Zum anderen, und das stellt eine ganz besondere methodische Herausforderung dar, sollen sie in Echtzeitexperimenten überprüft werden. Noch während die Daten einströmen, werden die relevanten Hirnaktivitätsmuster identifiziert und die nachfolgende Wahrnehmung quasi vorausgesagt.
Als „kleinen Mosaikstein“ für das bessere Verständnis von bewusster Wahrnehmung ordnet Nathan Weisz sein Projekt in das große Feld der Neurowissenschaft ein. „Bewusste Wahrnehmung,“ sagt er auch, „ist ein ganz sonderbarer Zustand. Warum entsteht aus der Interaktion zwischen Zellverbänden im Gehirn so etwas wie eine bewusste Wahrnehmung?“
Nathan Weisz ist seit 2008 Leiter einer Emmy Noether-Nachwuchsgruppe und Mitglied des Zukunftskollegs an der Universität Konstanz. Nach seinem Psychologiestudium an der Katholischen Universität Eichstätt wurde er
2004 an der Universität Konstanz unter der Betreuung von Prof. Dr.
Thomas Elbert über neuronale Korrelate des chronischen Tinnitus promoviert.
ERC Starting Grants sollen die wissenschaftliche Unabhängigkeit der Geförderten unterstützen. Sie können für bis zu fünf Jahre beantragt werden und beinhalten ein maximales Projektbudget von bis zu 1,5 Millionen Euro. Geförderte Forschungsprojekte müssen in einem EU-Mitglied-Staat oder Assoziierten Staat durchgeführt werden. (Uni Konstanz)
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