Geschwisterliebe bei Smaragd-Prachtbarschen
Der Größte und Stärkste hat auf der Suche nach einer geeigneten Partnerin meist die besten Karten – zumindest im Tierreich. Doch weibliche Smaragd-Prachtbarsche schielen offensichtlich nicht nur auf solche Prachtexemplare. Sie bevorzugen für die Paarung ihre Geschwister – selbst wenn diese deutlich schmächtiger sind als andere Bewerber. Warum dieses inzestuöse Verhältnis die Überlebenschancen des Nachwuchses steigern könnte, erklären Wissenschaftler der Universität Bonn in der aktuellen Ausgabe der “Proceedings of the Royal Society B”.
Der Smaragd-Prachtbarsch (Pelvicachromis taeniatus) lebt in kleinen Flüssen Westafrikas. Er gehört zur Familie der Buntbarsche, die auf der Erde mit weit über tausend verschiedenen Arten besonders üppig vertreten ist. Wissenschaftler des Instituts für Evolutionsbiologie und Ökologie der Universität Bonn untersuchen schon seit längerem das Paarungsverhalten dieser Fische. “Smaragd-Prachtbarsch-Paare sind monogam”, berichtet Dr. Timo Thünken, Erstautor der Studie. “Während der Fortpflanzungssaison bleiben sie zusammen.” Bei der Paarung legt das Weibchen bis zu 150 Eier in einer Unterwasserhöhle ab. Nach dem Schlüpfen des Nachwuchses kümmern sich die Eltern gemeinsam aufwändig um ihre Brut.
Bei der Partnerwahl sind die auffällig gefärbten Fische sehr wählerisch. “Das hat durchaus seinen Sinn”, führt der Evolutionsbiologe aus. “Wer bei der Partnerwahl wählerisch ist, bekommt meist auch mehr und besseren Nachwuchs.” Nun wollten die Bonner Wissenschaftler genau wissen, welcher Reiz bei Smaragd-Prachtbarsch-Männchen und -Weibchen der ausschlaggebende für die Wahl des Fortpflanzungspartners ist. Von vorhergehenden Untersuchungen wussten die Forscher, dass Smaragd-Prachtbarsche sowohl große Artgenossen als auch nahe Verwandte bevorzugen. “Wir versuchten herauszufinden, welches der beiden Kriterien für Männchen und Weibchen wichtiger ist”, berichtet Dr. Thünken.
Die Verweildauer ist ein Maß für die Attraktivität
Die Evolutionsbiologen boten in einem Aquarium gleichzeitig einen besonders großen und einen nahe verwandten Fortpflanzungspartner an. Beide waren durch einen Sichtschutz voneinander getrennt, um störende Einflüsse auf das Verhalten zu vermeiden. Dann setzten sie einen weiteren Testfisch ins Wasser, der in einer separaten Kammer sowohl zu dem einen als auch zu dem anderen angebotenen Partner hinschwimmen konnte. Die Forscher maßen jeweils, wie lange der zu testende Smaragd-Prachtbarsch vor den angebotenen Fortpflanzungspartnern zubrachte. “Je länger die Verweildauer, desto größer ist offensichtlich die Attraktivität, die der Testfisch auf seinen Artgenossen ausübt”, sagt der Biologe. Das lässt sich auch mit dem menschlichen Verhalten vergleichen: Je länger ein Mann einer Frau hinterher starrt – oder umgekehrt -, desto größer dürfte das Interesse sein.
Männchen bevorzugen große Partnerinnen
“Wir führten mit unserem Versuchsdesign absichtlich einen Konflikt für die Fische herbei”, sagt Dr. Thünken. “Wir wollten herausfinden, ob die Größe oder die Verwandtschaft das wichtigere Kriterium bei der Partnerwahl ist.” Die Forscher ließen den Fischen einerseits zwischen einem großen, aber nicht nahe verwandten Partner und andererseits einem kleineren, nahen Verwandten die Wahl. Nach 35 Versuchen mit Männchen und Weibchen zeigte sich ein klares Bild: Die Männchen bevorzugten im Durchschnitt große Partnerinnen. “Hier gibt es einen klaren Selektionsvorteil, weil große Weibchen mehr Eier produzieren”, erklärt der Biologe.
Weibchen möchten mit Familienmitgliedern ihre Brut aufziehen
Die Smaragd-Prachtbarsch-Weibchen ließen sich im Zweifel nicht von Körpergröße, sondern von einem nahen Verwandten verführen, wobei Gerüche wahrscheinlich eine entscheidende Rolle spielen. Dieses Verhalten widerspricht eigentlich der Regel, dass Inzucht möglichst vermieden wird. Denn Fortpflanzung zwischen nahen Verwandten schränkt die genetische Vielfalt der Nachkommen ein und damit häufig auch deren Anpassungsfähigkeit an wechselnde Umweltbedingungen. “Doch offensichtlich gibt es hier doch einen Selektionsvorteil”, interpretiert Dr. Thünken die Ergebnisse. Wie die Wissenschaftler bereits in einer vorherigen Studie feststellten, kooperieren die Prachtbarsche bei der wichtigen Brutpflege nämlich umso besser, je näher sie miteinander verwandt sind. “Die Weibchen suchen also gezielt einen Partner, der ihnen in der sensiblen Phase der Brutaufzucht optimal zur Seite steht.”
Publikation: Timo Thünken, Denis Meuthen, Theo C. M. Bakker, Sebastian Baldauf: A sex-specific trade-off between mating preferences for genetic compatibility and body size in a cichlid fish with mutual mate choice, “Proceedings of the Royal Society B”, DOI: 10.1098/rspb.2012.0333. (Uni Bonn)
» Diesen Artikel via Mail weiterempfehlen
Schreiben Sie einen Kommentar »
Parabelflieger Airbus A300 ZERO-G geht in den Ruhestand
5.200 Flüge, 4.200 Flugstunden und 13.180 Parabeln hat der Airbus A300 ZERO-G im Dienste der Wissenschaft und Schwerelosigkeitsforschung gemeistert. Nun verabschiedet sich der Parabelflieger der französischen Firma Novespace nach der 25. Forschungskampagne des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR)…
Bonn: Stadt und Universität wollen enger zusammenarbeiten
Die Bundesstadt Bonn und die Universität Bonn wollen künftig enger zusammenarbeiten, um Wissenschaft und internationale Einrichtungen am Standort Bonn produktiv miteinander zu vernetzen. Das sieht ein Kooperationsvertrag vor, den Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch und Rektor Prof. Dr. Jürgen Fohrmann am 09….
Prof. Andreas Müller neuer Leiter der Neonatologie am Uni-Klinikum Bonn
Prof. Dr. Andreas Müller ist neuer Leiter der Frühgeborenenmedizin am Zentrum für Kinderheilkunde des Universitätsklinikums Bonn. Als Leitender Oberarzt in der Bonner Universitäts-Neonatologie spezialisierte er sich unter anderem auf die Intensivmedizin bei Früh- und Neugeborenen. Neben der Betreuung Früh- und…
Forschungsprojekt: Mechanismen von Neurodermitis und Allergien
Grundlegende Mechanismen von Neurodermitis und Allergien untersucht ein Forscherteam des Universitätsklinikums Bonn mit Kollegen aus der Schweiz. Das Projekt wird vom Christine Kühne Center for Allergy Research and Education (CK-CARE) gefördert. In den nächsten fünf Jahren fließen mehr als zwei…
Rübenzystennematoden nutzen Sauerstoffradikale zur Nahrungsbeschaffung
Pflanzen haben im Lauf der Evolution „gelernt“, wie sie sich gegen Schmarotzer wehren können. Das Wachstum von parasitierenden Fadenwürmern unterbinden sie, indem sie mithilfe von Sauerstoffradikalen befallene Wurzelzellen absterben lassen. Rübenzystennematoden nutzen diese Abwehrstrategie des Wirts jedoch gezielt, um sich…