14. August 2012, Uni Jena

Politisches Engagement von Jugendlichen

Politik und Politiker haben bei Jugendlichen derzeit nicht den besten Stand. Sie gelten als abgehoben und stehen im Ruf, zu wenig für die Jugend und ihre Interessen zu tun. „Zwar sehen auch heute viele Jugendliche politisches Engagement als wichtige Aufgabe eines guten Staatsbürgers an“, weiß Dr. Katharina Eckstein von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. „Allerdings beteiligen sich immer weniger junge Menschen in den traditionellen Formen der Politik.“

Die Psychologin ist jetzt gemeinsam mit ihren Fachkollegen Prof. Dr. Peter Noack und Dr. Burkhard Gniewosz der Frage nachgegangen, wie Jugendliche im Alter zwischen 12 und 16 Jahren in ihre Rolle als „gute Staatsbürger“ hineinwachsen und ihre Einstellung zu politischem Engagement entwickeln. „Wir wollten herausfinden, welche Faktoren diese Entwicklungen beeinflussen“, so Eckstein. Die Wissenschaftler haben rund 1.000 Jugendliche in Thüringen über einen Zeitraum von vier Jahren regelmäßig nach ihrer Einstellung zu Politik und nach ihrer Bereitschaft, sich politisch zu engagieren, gefragt. Die Ergebnisse sind gerade in der Fachzeitschrift „Journal of Adolescence“ erschienen (DOI: 10.1016/j.adolescence.201107002).

„Wir hatten erwartet, dass das politische Engagement mit zunehmendem Alter wächst“, sagt Dr. Katharina Eckstein. Schließlich kommen die Jugendlichen in dieser Zeit immer häufiger mit politischen Themen in Berührung und sie werden offener für äußere Einflüsse. Der Anteil derjenigen, die Politik wichtig finden und sich politisch engagieren wollen, bleibt aber über die vier Jahre weitgehend konstant. Auch geschlechtsspezifische Unterschiede konnten die Psychologen nicht ausmachen. „Obwohl die Politik bis heute eher männlich dominiert ist, scheint die Einstellung gegenüber politischem Engagement und die Bereitschaft, sich am politischen Geschehen zu beteiligen, bei Jungen und Mädchen ähnlich ausgeprägt zu sein“, so Eckstein.

Deutliche Unterschiede fanden die Psychologen der Uni Jena allerdings, als sie die Ergebnisse getrennt nach Schulformen betrachteten. So besucht etwa die Hälfte der befragten Jugendlichen ein Gymnasium, die andere Hälfte eine Regelschule. „Bezieht man den Schultyp in unsere Analysen ein, so ergibt sich ein anderes Bild“, macht Prof. Noack deutlich. „Während die Gymnasiasten mit zunehmendem Alter eine positivere Einstellung zu politischem Engagement entwickeln und auch ihre Bereitschaft wächst, selbst politisch aktiv zu werden, sehen wir bei den Regelschülern diese Entwicklung nicht“, so der Professor für Pädagogische Psychologie der Universität Jena. Bei ihnen stagniere das Ansehen politischen Engagements mit dem Alter der Jugendlichen, ebenso die eigene Bereitschaft, sich politisch zu engagieren.

Für die Psychologen ist dieses Ergebnis ein Warnsignal. „Das Alter zwischen 12 und 16 ist entwicklungspsychologisch eine wichtige Phase“, unterstreicht Dr. Eckstein. In dieser Zeit entwickele sich die eigene Identität heraus, suchen die Jugendlichen verstärkt nach Sinn und loten die eigenen Spielräume aus. „Wie unsere Studie zeigt, gilt das auch für ihre politische Orientierung.“ Wenn sich hier eine Schere zwischen Jugendlichen in unterschiedlichen Bildungsschichten aufmache, sei das problematisch. Von einer „Zweiklassengesellschaft“ des politischen Interesses könne man anhand der Befunde zwar nicht sprechen. Dennoch legten diese nahe, Schülerinnen und Schüler mit niedrigeren Bildungschancen auch in Sachen politischer Teilhabe besonders zu unterstützen, damit sie den Anschluss an ihre Altersgenossen nicht verpassen.

Original-Publikation:
Eckstein K. et al.: Attitudes towards political engagement and willingness to participate in politics: Trajectories throughout adolescence, Journal of Adolescence 2012, 35: 485-495, DOI: 10.1016/j.adolescence.201107002 (Uni Jena)



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