14. März 2014, Uni Hohenheim

Zecken werden zunehmend auch im Winter aktiv

Die zunehmend milden Winter haben zur Folge, dass Zecken nicht nur im Sommer, sondern zunehmend ganzjährig aktiv sind. So sei der Winter 2013/14 ein wahrer Zeckenwinter berichten Wissenschaftler auf einer Pressekonferenz im Vorfeld des 2. Süddeutschen Zeckenkongresses an der Universität Hohenheim. Im vergangenen Jahr erreichte die Zahl der FSME-Erkrankungen mit 420 Erkrankungen ein erneutes Hoch.

Zecken sind ziemlich hart im Nehmen: Zwischen ihren Blutmahlzeiten können sie zwei bis drei Jahre lang hungern. In Wohnungen überdauern sie mehrere Tage. Im Gefrierfach bei minus acht Grad ist die Hälfte der Zecken nach 24 Stunden noch am Leben. Erst Temperaturen unter minus 20 Grad Celsius töten Zecken zuverlässig – die meisten Haushaltsgeräte kühlen jedoch meist bis maximal minus 10 Grad.

Selbst den Vollwaschgang in der Waschmaschine bei 40 Grad Celsius überleben die Parasiten. Waschgänge bei 60 Grad und den Weg durch den Trockner töten sie jedoch zuverlässig ab.

Bislang hielten die achtbeinigen Blutsauger wenigstens von November bis Ende Februar Winterruhe. Gewöhnlich werden sie erst ab ca. 5 bis 7 Grad Celsius aktiv. Doch der Klimawandel und die zunehmend milden Winter machen die Zecke zunehmend zum ganzjährig aktiven Tier.

„In diesem Winter haben wir auf unseren über ganz Deutschland verteilten Zeckenstationen fast durchgehend Aktivität gemessen“, berichtet Dr. Olaf Kahl, Geschäftsführer der Informationsplattform Zeckenwetter.de. So sei es wenig verwunderlich, dass das Robert Koch-Institut im Januar und Februar bereits fünf FSME-Erkrankungen gemeldet habe.

So könnte die Zahl der FSME-Erkrankungen im laufenden Jahr den Rekordwert des Jahres 2013 vielleicht sogar übertreffen. Laut Robert-Koch-Institut erkrankten im vergangenen Jahr 420 Personen an der Hirnhautentzündung, die durch Zecken übertragen wird.

„2012 schien die Zahl der Erkrankungen mit 195 Fällen noch zurückzugehen“, erinnert sich Parasitologin Prof. Dr. Ute Mackenstedt von der Universität Hohenheim. „Die langjährige Statistik zeigt jedoch, dass die FSME-Gefahr kontinuierlich gestiegen ist, auch wenn es Jahresschwankungen gibt. So gesehen bleibt die Zecke weiterhin das gefährlichste Tier Deutschlands.“

Insgesamt können Zecken über 50 verschiedene Krankheiten übertragen. Die häufigsten davon sind die Hirnhautentzündung (FSME) und die entzündliche Borreliose, berichtete Prof. Dr. Uta Meyding-Lamadé, Chefärztin der Neurologischen Klinik des Krankenhaus Nordwest in Frankfurt am Main.

In den Risikogebieten liege die Wahrscheinlichkeit einer FSME-Infektion nach einem Zeckenstich bei 1:50 bis 1:100. Danach träten nach ca 10 Tagen grippeähnliche Symptome auf.

„Bei ca. einem Drittel der Patienten kommt es nach vorübergehender Besserung zu einem erneuten Fieberanstieg und der 2. Krankheitsphase“, so Prof. Dr. Meyding-Lamadé. Bei leichten Verläufen klagten die Patienten vorwiegend über starke Kopfschmerzen. Bei schwereren Verläufen seien Gehirn und Rückenmark beteiligt. „Zu den Symptomen gehören Koordinationsstörungen, Lähmungen, Sprach- und Sprechstörungen sowie Bewusstseinsstörungen und epileptische Anfälle.“

Für ca. 1 % der Patienten ende die Krankheit tödlich. Bei älteren Menschen komme es häufiger zu schweren Krankheitsbildern mit zum Teil bleibenden Lähmungserscheinungen. Aber auch Kinder litten selbst nach einem leichteren Verlauf an Konzentrations- und Gedächtnisstörungen sowie verminderter Belastbarkeit.

„Ist die Krankheit erst einmal ausgebrochen, können nur die Symptome therapiert werden. Allerdings kann vorbeugend eine Impfung durchgeführt werden, die bereits innerhalb weniger Wochen einen Schutz bietet und für Kinder und Erwachsene gut verträglich ist“, so die Medizinerin.

Bei der Borreliose tragen zwischen 3 und 30 % der Zecken den Erreger in sich. Die Zahl der Borreliose-Erkrankten wird in Deutschland auf ca. 100.000 geschätzt.

„Nach dem Stich einer infizierten Zecke kommt es in 40-60 % der Fälle zur typischen Wanderröte um die Einstichstelle“, erklärte Prof. Dr. Meyding-Lamadé. Mögliche Folgen seien Lähmungen der Hirnnerven und eine schmerzhafte Entzündung der Nervenwurzeln des Rückenmarks außerdem könnten Gelenkbeschwerden und Herzrhythmusstörungen auftreten. „Bei der neurologischen Spätmanifestation gibt es vielfältige Ausprägungen, wie z.B. schubförmige Beschwerdeverläufe ähnlich der Multiplen Sklerose, Schlaganfälle oder chronische Polyneuropathie.“

Anders als bei der FSME sei eine vorherige Impfung nicht möglich. Werde die Borreliose früh erkannt, lasse sie sich jedoch gut mit Antibiotika behandeln. „Da die Symptome jedoch erst Tage nach dem Zeckenstich auftreten und die Beschwerden sehr diffus sind, sollte die Diagnose von Fachleuten durchgeführt werden“, betont die Ärztin.

Bester Schutz sei den Zeckenstich zu vermeiden. Gute Methoden seien helle und geschlossene Kleidung zu tragen und sich nach Aufenthalten in der Natur gründlich abzusuchen. „Die Zecken sollten möglichst rasch, zum Beispiel mit einer Pinzette oder Zeckenkarte, entfernt werden. Dies ist vor allem für die Übertragung der Borreliose bedeutsam, da hier das Risiko umso höher ist, je länger die Zecke saugt.

Als Risikogebiete kommen nicht nur Wälder sondern auch Gärten in Frage. Was einen Garten besonders attraktiv für Zecken macht und wie man die Parasiten möglichst fernhalten kann, soll nun eine neue Studie der Universität Hohenheim klären.

„Wir gehen davon aus, dass die Gartengestaltung einen wesentlichen Einfluss auf die Zeckenhäufigkeit hat“, berichtet Prof. Dr. Mackenstedt, die den Zeckenkongress ins Leben rief. „Unterholz und Wirtstiere – zum Beispiel Nagetiere – könnten weitere Faktoren sein, die Gärten für Zecken attraktiv machen.“

Nach einer ersten Bestandsaufnahme sollen die Zecken auf Krankheitserreger untersucht werden.
(Text: Florian Klebs, Uni Hohenheim)



» Diesen Artikel via Mail weiterempfehlen

Themen:





Schreiben Sie einen Kommentar »



Das könnte Sie auch interessieren:

Umweltauswirkungen des Hartweizen-Anbaus in Deutschland

Regionale Produkte werden bei deutschen Verbrauchern immer beliebter, schlagen sogar Bio-Produkte. Bei Hartweizen (Durum) auch zu Recht, so das Ergebnis einer Ökobilanz-Studie der Universität Hohenheim. Im Detail vergleicht die Studie die Umweltauswirkungen des Hartweizen-Anbaus in Deutschland und den wichtigsten Einfuhrländern….

“Deutschland erlebt einen klassischen Zirkuseffekt”

Viel Show bescheinigt Prof. Dr. Markus Voeth von der Universität Hohenheim den aktuellen Koalitionsverhandlungen. Anders als bei den Koalitionsverhandlungen von 2005 seien diesmal vor allem die Sondierungsgesprächen wichtig gewesen. Bei den Mammut-Gesprächsrunden gehe es deshalb nun mehr darum, die jeweils…

Bild: Uni Hohenheim

Freisetzung von Lachgas bei Rapsanbau

Lachgas ist ein vielfach stärkeres Treibhausgas als Kohlendioxid und trägt auch dazu bei, dass Ozon in der Stratosphäre abgebaut wird. Es entsteht unter anderem beim Einsatz von Stickstoffdüngern. Wie viel von dem Gas über das Jahr aus deutschen Rapsfeldern in…

Gute Job-Perspektiven für Wirtschaftswissenschaftler an der Uni Hohenheim

Deutschlands Personaler lieben sie: Wer an der Universität Hohenheim Wirtschaftswissenschaften studiert hat, muss sich um die Jobsuche keine großen Sorgen machen. Laut einer Umfrage der Wirtschaftswoche liegen die Hohenheimer Absolventen in der Beliebtheitsskala deutschlandweit unter den ersten zehn. Die Befragung…

Bild: Patric Seifert/ TROPOS

Genauere Modelle für Wetter und Klima durch Messkampagne “HOPE”

Ein Durchbruch für das Verständnis von Wolken und Niederschlag – und deutlich genauere Modelle für Wetter und Klima: Diese Hoffnungen knüpfen rund 120 beteiligte Forscher, davon sieben der Universität Hohenheim, an die Messkampagne „HOPE“. Sie findet statt im Rahmen des…

Weitere Beiträge zum Thema: