Rübenzystennematoden nutzen Sauerstoffradikale zur Nahrungsbeschaffung
Pflanzen haben im Lauf der Evolution „gelernt“, wie sie sich gegen Schmarotzer wehren können. Das Wachstum von parasitierenden Fadenwürmern unterbinden sie, indem sie mithilfe von Sauerstoffradikalen befallene Wurzelzellen absterben lassen. Rübenzystennematoden nutzen diese Abwehrstrategie des Wirts jedoch gezielt, um sich noch besser Nährstoffe zuzuführen. Das haben Forscher der Universität Bonn mit Kollegen aus Polen und Spanien herausgefunden. Die Ergebnisse sind nun im Fachjournal „Science Signaling“ veröffentlicht. ACHTUNG SPERRFRIST: Nicht vor Donnerstag, 3. April, 20 Uhr veröffentlichen!
Sauerstoffradikale gelten als gefährlich, weil sie für die Schädigung von Proteinen, Membranen und Erbgut verantwortlich gemacht werden. Im Organismus entstehen sie zum Beispiel als Nebenprodukt der Zellatmung. Pflanzen nutzen die Sauerstoffradikale als Waffe gegen Schädlinge. Bereits in geringen Konzentrationen können sie eine Form des programmierten Zelltodes auslösen, wodurch von Krankheitserregern befallene Zellen zugrunde gehen. „In Pflanzen sind Sauerstoffradikale aber nicht nur Auslöser des Zelltodes. Als Signalmoleküle sorgen sie mit dafür, dass sich der Zelltod im Gewebe nicht immer weiter ausbreitet“, sagt Prof. Dr. Florian Grundler von der Molekularen Phytomedizin am Institut für Nutzpflanzenwissenschaften und Ressourcenschutz (INRES) der Universität Bonn.
Die Wissenschaftler des INRES der Universität Bonn haben nun mit ihren Kollegen der Landwirtschaftlichen Universität Warschau (Polen) und der Polytechnischen Universität Madrid (Spanien) eine unerwartete Entdeckung gemacht: An der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) konnten sie nachweisen, dass die Sauerstoffradikale im Kampf gegen den Rübenzystennematoden (Heterodera schachtii) nicht nur eine stumpfe Waffe sind, sondern den Schädling sogar fördern. „Diese mikroskopisch kleinen Würmer aus der Gruppe der Nematoden nutzen die Wirkung reaktiver Sauerstoffspezies der befallenen Pflanze für ihre eigenen Zwecke – der Nahrungsbeschaffung“, berichtet Erstautor Dr. Shahid Siddique vom INRES.
Die kleinen Würmer richten an Nutzpflanzen großen Schaden an
Nematoden sind wichtige Schaderreger von Nutzpflanzen wie Getreide, Zuckerrüben und Kartoffeln. Einige Arten regen Zellen zur Bildung von Wucherungen im Inneren der Wurzeln an, die die Nematoden ernähren. Über Wochen saugen sie mit Hilfe eines mikroskopisch kleinen Stachels an diesen Nährzellen. „Diese Form der Parasitierung verursacht schwere Entwicklungsstörungen der Pflanze und damit große Ertragsverluste“, sagt Dr. Siddique.
Das Team um Prof. Grundler schaltete in der Ackerschmalwand ein Gen stumm, wodurch die Bildung der Sauerstoffradikale unterbunden wurde und die Entwicklung der Nährzellen stark abgeschwächt war. Meist starben die Wurzelzellen ab, sobald die Nematodenlarven versuchten, sie zu parasitieren. Gelang es den Nematoden dennoch zu schmarotzen, so blieben sie stark in ihrer Entwicklung zurück. Dagegen konnten sich die Parasiten in Pflanzen mit einer gesteigerten Sauerstoffradikalbildung deutlich besser entwickeln.
Die Ergebnisse erklären unter anderem, warum es den Nematoden gelingt, über eine so lange Zeit Pflanzenzellen am Leben zu erhalten und zu parasitieren. Durch ein besonderes Verhalten und ihre Fähigkeit, die Entwicklung von Pflanzenzellen zu beeinflussen, umgehen sie gezielt die Abwehrfunktion der Pflanze und nutzen deren Selbstschutz, um die Bildung der Nährzellen zu stimulieren. In keinem anderen Fall konnte bisher gezeigt werden, dass Krankheitserreger die pflanzeneigene Abwehr gezielt für die eigene Entwicklung nutzen. Prof. Grundler: „Unsere Ergebnisse stellen die Funktion der Sauerstoffradikale in der Pflanze in ein neues Licht. Das hat nicht nur Bedeutung in der Grundlagenforschung, sondern kann nun in der Pflanzenzüchtung gezielt genutzt werden.“
Publikation: Parasitic Worms Stimulate Host NADPH Oxidases to Produce Reactive Oxygen Species that Limit Plant Cell Death and Promote Infection, Science Signaling, DOI: 10.1126/scisignal.2004777. (Uni Bonn)
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