Eingliederung von Migranten in Arbeitsmarkt und Bildungssystem
Migranten sind in Deutschland weniger in den Arbeitsmarkt integriert als ihre deutschen Mitbürger; daran änderten auch Integrationsprogramme der vergangenen Jahre wenig. Warum schlagen diese so häufig fehl? Es mangelt politischen Entscheidern und kommunalen Verwaltungen oft an passgenau aufbereiteten Hintergrundinformationen, um Fördermaßnahmen erfolgreich umsetzen zu können, sagen die ExpertInnen vom Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur der Goethe-Universität (IWAK).
Der von ihnen entwickelte ‚Hessische Monitor Arbeitsmarkt und Migration’ (HeMonA) setzt nun an diesem Punkt an, sorgt mit seinem webbasierten nutzerorientierten Informationssystem für mehr Transparenz zur Situation von Migranten auf kommunalen Arbeitsmärkten und hilft damit, deren Integration zu verbessern. In der soeben erschienenen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins ‚Forschung Frankfurt’ stellen Prof. Alfons Schmid, Dr. Christa Larsen und Vera Neisen dieses neue Instrument zur Politikberatung vor, das schon seit drei Wochen im Landkreis Offenbach genutzt wird und bis Ende 2010 flächendeckend in Hessen implementiert werden soll.
Heute haben 15 Prozent der Bevölkerung in Deutschland einen Migrationshintergrund, sind also entweder selbst Zuwanderer oder in Deutschland geborene Nachkommen. In Ballungsräumen wie im Rhein-Main-Gebiet liegen die Anteile sogar deutlich über 30 Prozent. Frankfurt ist die bundesdeutsche Großstadt mit dem höchsten Anteil an BürgerInnen mit Migrationshintergrund, hier sind es 38 Prozent der Bevölkerung. Trotz dieser Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur ist die Integration der Migranten erst seit wenigen Jahren stärker in den Fokus von Politik und Öffentlichkeit gerückt. Zwar haben viele der Zugewanderten und ihre Nachkommen längst ihren Platz in der Gesellschaft gefunden; gleichwohl sind die Integrationsprobleme in den zurückliegenden Jahren zum Teil größer geworden. Insbesondere in der zweiten und dritten Generation der Zuwandererfamilien besteht ein erheblicher Integrations-Nachholbedarf. „So ist die Abhängigkeit des Bildungserfolges von sozialer Herkunft und Migrationshintergrund in Deutschland im OECD-Vergleich besonders ausgeprägt“, erklärt die Sozialwissenschaftlerin und IWAK-Geschäftsführerin Larsen.
„Überdurchschnittlich viele Jugendliche mit Migrationshintergrund verlassen die Schule ohne Abschluss; auf Gymnasien und Universitäten sind sie nur unterdurchschnittlich vertreten. Diese Zahlen schlagen sich auch in der Arbeitsmarktsituation von Migranten nieder. Nur ein Beispiel: Im Kreis Offenbach liegt die Arbeitslosenquote bei 7 Prozent, bei Ausländern bei 18 Prozent.“ Migranten sind im Rhein-Main-Gebiet außerdem überdurchschnittlich häufig in Niedriglohn-Branchen beschäftigt, etwa im Gastgewerbe, wo fast 30 Prozent der Beschäftigten einen Migrationshintergrund haben.
Inzwischen hat die Frage, wie MigrantInnen in den Arbeitsmarkt und das Bildungssystem der jeweiligen Kommune integriert werden können, eine hohe politische Priorität in vielen Städten, Gemeinden und Kreisen des Rhein-Main-Gebiets. „Diese besteht gerade vor dem Hintergrund, dass die Integration in den Arbeitsmarkt die soziale und politische Integration nach sich zieht und sich Arbeitsmarktintegration somit als Motor der Integration erweist“, erläutert Alfred Schmid. Die meisten Kommunen haben bisher keinen systematischen und umfassenden Überblick über die Situation der Migranten auf dem jeweiligen kommunalen Arbeitsmarkt. So sind beispielsweise weder die Qualifikationen der Migranten genau bekannt, noch kann die Frage beantwortet werden, welche dieser Qualifikationen auf dem Arbeitsmarkt nachgefragt werden, ob also das Angebot mit der Nachfrage übereinstimmt.
Die Kommunen können zwar auf verschiedenste Datenquellen des Hessischen Statistischen Landesamts oder der Bundesagentur für Arbeit zurückgreifen, doch die Aufbereitung der Informationen gestaltet sich aufwendig. An dieser Stelle setzt der Hessische Monitor Arbeitsmarkt und Migration’ (HeMonA) ein: Dort werden unter Nutzung statistisch-methodischer Verfahren verschiedene Datenbestände miteinander verknüpft, die dann eine solide kommunale Planungsgrundlage darstellen. „Wir haben diese Informations- und Datenprobleme mit einem regionalen oder kommunalen Zielgruppenmonitoring systematisch verbessert. Monitoring ist dabei ein Verfahren, mit dem für die Akteure vor Ort solide Planungsdaten erzeugt und kontinuierlich fortgeschrieben werden. Somit können sie nicht nur adäquate Maßnahmen planen, sondern auch im Zeitverlauf verfolgen, ob ihre Maßnahmen tatsächlich greifen“, so Larsen.
Regionales und kommunales Zielgruppenmonitoring ist ein innovatives Instrumentarium, das vom IWAK und Partnern aus dem European Network of Regional Labour Market Monitoring seit 2006 konzeptionell und statistisch entwickelt sowie in Deutschland, den Niederlanden, Österreich und in Tschechien erprobt wurde. Die wesentliche Funktion des Monitorings ist es, Transparenz zu schaffen, indem passgenaue Daten beziehungsweise Informationen erzeugt und an die Akteure vor Ort kommuniziert werden. „Passgenau sind Daten dann, wenn sie tatsächlich jene Informationsbereiche abdecken, die die Akteure vor Ort benötigen und wenn zudem auf diese Daten direkt von den Nutzern, wann immer sie diese brauchen, zugegriffen werden kann, ohne dass dies einen wesentlichen Mehraufwand innerhalb der regulären Arbeitsprozesse bedeutet“, ergänzt die Humangeografin Neisen.
Im Sommer 2008 hatte das IWAK im Auftrag des Hessischen Ministeriums für Arbeit, Familie und Gesundheit die Entwicklungsarbeiten für ein kommunal basiertes Integrationsmonitoring im Landkreis Offenbach aufgenommen. Ziel war es zunächst, in dieser hessischen Pilotregion ein nutzer- und nachfrageorientiertes Monitoring für die Zielgruppe Migranten zu entwickeln und bis Ende 2009 in den Dauerbetrieb zu überführen: „Das ist inzwischen mit dem ‚Hessischen Monitor Arbeitsmarkt und Integration’ erfolgreich geschehen“, so Schmid. Carsten Müller, Kreisbeigeordneter aus dem Kreis Offenbach gehört zu den strategischen Nutzern des HeMonA und beschreibt Vorteile des Instruments für die Arbeit des Kreises: „Das Monitoringsystem bringt uns vor Ort Klarheit darüber, wer, wann, wie gefördert und vermittelt werden kann. Die Datenbasis – direkt nach unseren Bedürfnissen auf dem Bildschirm abrufbar – gibt uns beispielsweise die Möglichkeit, genauer als bisher über Erfordernisse und die Anzahl von Kursen zur Förderung von Migranten zu entscheiden. Wir wissen exakt, wo Schwachstellen liegen und wo Fort- und Weiterbildungsbedarf besteht, zum Beispiel bei der Sprachförderung für Frauen.“ Jetzt soll mit anderen hessischen Kreisen und kreisfreien Städten die passgenaue Übernahme dieses Instruments vorangebracht werden, um es bis Ende 2010 flächendeckend in Hessen zu implementieren. Damit wäre Hessen das erste Bundesland mit einem flächendeckenden kommunalen Zielgruppenmonitoring. (Uni Frankfurt)
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