16. März 2010, Aktuelles, Uni Hohenheim

Neue Biogasanlage auf dem Campus der Uni Hohenheim

Höherer Methangehalt, kürzere Verfahrenszeiten, flexiblere Produkte: Forscher der Universität Hohenheim wollen in den kommenden drei Jahren eine dreistufige Versuchsanlage aufbauen, die all das kann. Langfristig tragen sie damit dazu bei, dass Biogas mit einem deutlich geringeren Energieaufwand als heute zu Erdgasqualität aufbereitet und ins Erdgasnetz eingespeist werden kann. Damit kann die Erzeugung des Biogases von dem Ort der Nutzung entkoppelt werden. Auch bezüglich der eingesetzten Substrate und der nutzbaren Produkte soll die Anlage wesentlich flexibler als heutige Biogasanlagen sein. Das Verbundprojekt mit acht Partnern wird im Rahmen des Förderprogramms „Bioenergie 2021“ vom BMBF über den Projektträger Jülich (PtJ) mit insgesamt 1,96 Mio Euro gefördert. 275.500 Euro davon fließen direkt nach Hohenheim und machen das Forschungsprojekt zu einem der Hohenheimer Schwergewichte der Forschung.

Die neue Mini-Biogasanlage soll auf dem Campus der Universität am Institut für Agrartechnik stehen. In vier je 100l-Fermentern wird pro Tag 1 kg Trockenmasse des Modellsubstrats aus Gras und Mais bzw. Stroh und Heu gären. In einem getrennten Methan-Reaktor von 50l Nutzvolumen werden 410 l Biogas mit einem Methananteil von bis zu 85 % gewonnen. Das ist zwar eine zu geringe Menge an Methan um sie direkt zu nutzen, doch mit Hilfe der kleinen Versuchsanlage haben die Hohenheimer Agrarwissenschaftler Großes vor.

Ziel des Verbundvorhabens ist es, einen neuen Anlagentyp zu entwickeln, der mehrere Vorteile vereinen soll: Erstens, sollen flexible Einsatzstoffe eingesetzt werden können; zweitens soll ein höherer Methangehalt im Endprodukt erzielt werden und drittens soll der gesamte Prozess noch schneller ablaufen.

Bisher wurde Biogas in Hohenheim in Biogasanlagen aus einem Behälter produziert: In diesem Behälter läuft sowohl die Säurebildung als auch deren Abbau zu Methan ab. Damit sind die Milieubedingungen für alle am Prozess beteiligten Mikroorganismen suboptimal. Erste Versuche zu einer zweiphasigen Vergärung zeigten, dass durch die Trennung der eigentlichen Gärung von der Methanogenese der Prozess beschleunigt werden kann. Allerdings wies diese zweiphasige Anlage erhebliche steuerungstechnische Nachteile auf.

Aus drei, statt aus ein bis zwei, Behältern wird der neue Anlagentyp zusammengesetzt sein. Und das hat eine Funktion: Die Forscher wollen die Gärung und die Methonogenese verfahrenstechnisch trennen. „Im ersten Gärkessel findet die Hydrolyse statt. Bei diesem Vorgang wird das Substrat durch Enzyme in so genannte Monomere und Säuren abgebaut. Bei lignifizierten Substraten bleiben dabei Gerüstsubstanzen, das sind die unlöslichen Reste, übrig. Leicht abbaubare Stoffe werden dagegen vollständig in lösliche Substanzen überführt“, erklärt Dr. Andreas Lemmer von der Landesanstalt für Agrartechnik und Bioenergie.

Im zweiten Behälter findet das so genannte Bio-Leaching statt. Dabei werden die löslichen Stoffe, das heißt,die Säuren und löslichen Zucker aus den nicht abgebauten Gerüstsubstanzen „ausgewaschen“ Ausschießlich diese gelösten Zwischenprodukte werden in den dritten Behälter überführt. Dieser gleicht einem Filter, in dem die organischen Säuren zu Methan abgebaut werden. Der Methangehalt des Biogas aus dem neuen Anlagentyp kann dabei bis zu 40 % höher sein als in bisherigen einphasigen Anlagen.

Diese Auftrennung ermöglicht größere Flexibilität in der Praxis der neuen Biogasanlage. „Die mögliche Bandbreite der Einsatzstoffe zu erhöhen und damit das deutschlandweite Methanertragspotenzial zu steigern ohne die Flächenkonkurrenz zu erhöhen ist wohl das naheliegendste Ziel“, schätzt Andreas Lemmer. Daneben kann die Anlage zur Gewinnung von Brennstoff aus den Gerüstsubstanzen verwendet werden. Organische Säuren herzustellen könnte ein weiteres mögliches Ziel der neuen Anlage sein. Fazit des Agrartechnikers: „Wir erreichen mit dem neuen Anlagentyp ein flexibel zu steuerndes Modul, das anpassungsfähig in den Einsatzstoffen, sowohl als auch in den Endprodukten ist“.

Ein weiterer Vorteil der neuen Anlage sind kürzere Verfahrenszeiten. Während beispielsweise der Abbau von Gras im einphasigen Anlagentyp mindestens 70 bis 100 Tage dauerte, wird er in Zukunft nur 18 bis 25 Tage benötigen. Ermöglicht wird der schnellere Abbau, so Andreas Lemmer, durch eine verbesserte Anpassung des ph-Werts in den getrennten Behältern: „Während der optimale ph-Wert für die Gärung bei 5,5 liegt, braucht die Methanbildung ein Milieu von 7 bis 8. Auch die Temperatur kann individuell für die einzelnen Gruppen der Mikroorganismen angepasst werden“. Der neue dritte Behälter, das Bioleaching, dient dazu, die beiden biologischen Vorgänge strikt voneinander zu trennen, damit im Methanreaktor ein möglichst reines Methan entsteht.

Rund 26 Millionen Euro an Drittmitteln akquirierten Forscher der Universität Hohenheim allein im vergangenen Jahr – gut 20 % mehr als im Vorjahr. In loser Folge präsentiert ihnen die Reihe „Schwergewichte der Forschung“ herausragende Forschungsprojekte mit einem Drittmittelvolumen von mindestens einer Viertelmillion Euro, bzw. 125.000 Euro in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. (Uni Hohenheim)



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