Blutdruck senken durch Hochfrequenzstrom
Am Bonner Universitätsklinikum bieten Radiologen und Kardiologen zusammen mit der Hypertonie-Ambulanz der Medizinischen Klinik I seit kurzem für Menschen mit starkem Bluthochdruck eine neuartige Therapie an. Bei der so genannten renalen Denervation schalten sie mit Hochfrequenzstrom überaktive Nerven der Nierenarterie aus, um so den Bluthochdruck langfristig abzusenken. Dies ist vor allem für Betroffene eine Option, denen blutdrucksenkende Medikamente allein nicht ausreichend helfen. Die Universitätskliniken sind die Einzigen in Bonn und Umgebung, die diese Behandlung durchführen.
Durch einen zu hohen Blutdruck war Annina L. ständig müde und ihr war übel: “Oft war mir richtig schwarz vor den Augen.” Die 44-Jährige hatte bereits zwei Schlaganfälle. Sie blieben ohne Folgen, sind aber ein eindeutiges Warnsignal. Doch die verschiedenen Medikamente, die Annina L. täglich schluckte, senkten ihren Blutdruck nicht. Sie ist die erste Patientin, der die Radiologen am Bonner Universitätsklinikum mit der neuen Methode helfen konnten.
Etwa jeder dritte Erwachsene in Deutschland leidet an Bluthochdruck (Hypertonie), ein Risikofaktor für Schlaganfall, Herzinfarkt und Nierenversagen. Wie Annina L. sprechen etwa fünf Prozent der Betroffenen auch auf eine Mehrfachkombination von blutdrucksenkenden Medikamenten nicht ausreichend an. “Wir freuen uns, gerade diesen Patienten mit der renalen Denervation eine sichere und langfristige Therapieoption anbieten zu können”, sagen Prof. Dr. Hans Schild, Direktor der Radiologischen Klinik am Bonner Universitätsklinikum, und Prof. Dr. Georg Nickenig, Direktor der Medizinischen Klinik II am Bonner Universitätsklinikum.
Fehlalarm führt zu Bluthochdruck
Die Nerven der Nierenarterie sind an der Regulation des Blutdrucks beteiligt. Senden diese zu viele Signale und melden dem Gehirn so fälschlicherweise, dass eine zu geringe Menge Blut bei der Niere ankommt, bilden sich verstärkt Hormone, die den Blutdruck zu stark steigern.
Hier setzt die Renale Denervation mit dem Ziel an, die viel zu hohen Blutdruckwerte der Patienten zu senken. Dazu wird das dichte Nervengeflecht, das sich um die Nierenarterie windet, gezielt durch das Blutgefäss mittels Strom verödet. “Da das Nervengewebe sich nicht regeneriert, wird somit der Einfluss dieser Nervenfasern auf den Blutdruck langfristig verringert”, sagt Prof. Dr. Kai Wilhelm, Leitender Oberarzt an der Bonner Universitäts-Radiologie.
Zirkulär gesetzte Verödungspunkte
Die Bonner Radiologen und Kardiologen führen einen Katheter unter Röntgenkontrolle über die Leistenschlagader in Richtung Niere. Am Ziel angekommen drücken sie die bewegliche Katheterspitze an die Arterienwand und erwärmen das Gewebe mit einem kurzen Stromimpuls. Dabei müssen sie genau darauf achten, nur so viel Wärme zu erzeugen, dass ausschließlich die unmittelbar an der Gefäßwand verlaufenden Nervenfasern zerstört werden. Dann drehen die Bonner Ärzte den Katheter, ziehen ihn leicht zurück und erwärmen die nächste Kontaktstelle. “Das senkt insgesamt die Impulsrate, und bis zu sechs Verödungspunkte reichen aus, um das dichte Nervengeflecht komplett auszuschalten. Wir gehen so vorsichtig vor, damit die Arterienwand ohne dauerhafte Schäden bleibt und auch die Nierenfunktion nicht negativ beeinflusst wird”, sagt Kardiologe Prof. Dr. Nikos Werner.
Weltweit wurden bisher etwa 400 Patienten im Rahmen von Studien mit diesem minimal-invasiven Verfahren erfolgreich behandelt. Bei weit mehr als 80 Prozent der Patienten war auch sechs Monate später der Blutdruck deutlich gesenkt. Auch die bisherigen Erfahrungen am Bonner Universitätsklinikum sind durchweg positiv. So hat Annina L. – obwohl sie bereits jetzt viel weniger Medikamente einnimmt – etwa drei Monate nach dem Eingriff sehr gute Blutdruckwerte: “Die Müdigkeit ist komplett weg und ich stehe morgens sogar endlich fit auf.”
Zwei Tage Krankenhaus statt lebenslang Medikamente
Wichtig ist, dass der einstündige, beidseitig durchgeführte Eingriff in enger Zusammenarbeit mit Bluthochdruck-Spezialisten erfolgt – am Universitätsklinikum Bonn sind dies die Hypertonieambulanz unter der Leitung von Prof. Dr. Rainer Düsing und die kardiologische Ambulanz der Medizinschen Klinik II unter der Leitung von Prof. Dr. Georg Nickenig: “Bei einer schweren Hypertonie steht die Wirksamkeit der Denervation außer Zweifel.” Ein interessanter Aspekt sei vor allem auch, dass bei praktisch allen Patienten die medikamentöse Therapie zurückgenommen werden kann. “Die Zahl der Tabletten reduziert sich wie bei unserer Patientin zum Teil enorm”, sagt Prof. Düsing. So könnten in Zukunft möglicherweise auch Patienten, die die Medikamente nicht vertragen oder unter unerwünschten Nebenwirkungen leiden, von dieser Behandlung profitieren. (Uni Bonn)
» Diesen Artikel via Mail weiterempfehlen
Schreiben Sie einen Kommentar »
Parabelflieger Airbus A300 ZERO-G geht in den Ruhestand
5.200 Flüge, 4.200 Flugstunden und 13.180 Parabeln hat der Airbus A300 ZERO-G im Dienste der Wissenschaft und Schwerelosigkeitsforschung gemeistert. Nun verabschiedet sich der Parabelflieger der französischen Firma Novespace nach der 25. Forschungskampagne des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR)…
Bonn: Stadt und Universität wollen enger zusammenarbeiten
Die Bundesstadt Bonn und die Universität Bonn wollen künftig enger zusammenarbeiten, um Wissenschaft und internationale Einrichtungen am Standort Bonn produktiv miteinander zu vernetzen. Das sieht ein Kooperationsvertrag vor, den Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch und Rektor Prof. Dr. Jürgen Fohrmann am 09….
Prof. Andreas Müller neuer Leiter der Neonatologie am Uni-Klinikum Bonn
Prof. Dr. Andreas Müller ist neuer Leiter der Frühgeborenenmedizin am Zentrum für Kinderheilkunde des Universitätsklinikums Bonn. Als Leitender Oberarzt in der Bonner Universitäts-Neonatologie spezialisierte er sich unter anderem auf die Intensivmedizin bei Früh- und Neugeborenen. Neben der Betreuung Früh- und…
Forschungsprojekt: Mechanismen von Neurodermitis und Allergien
Grundlegende Mechanismen von Neurodermitis und Allergien untersucht ein Forscherteam des Universitätsklinikums Bonn mit Kollegen aus der Schweiz. Das Projekt wird vom Christine Kühne Center for Allergy Research and Education (CK-CARE) gefördert. In den nächsten fünf Jahren fließen mehr als zwei…
Rübenzystennematoden nutzen Sauerstoffradikale zur Nahrungsbeschaffung
Pflanzen haben im Lauf der Evolution „gelernt“, wie sie sich gegen Schmarotzer wehren können. Das Wachstum von parasitierenden Fadenwürmern unterbinden sie, indem sie mithilfe von Sauerstoffradikalen befallene Wurzelzellen absterben lassen. Rübenzystennematoden nutzen diese Abwehrstrategie des Wirts jedoch gezielt, um sich…