Optimierung elastoplastischer Umformprozesse
Probieren geht über Studieren – ein bekanntes Sprichwort, das nicht immer bedenkenlos anzuwenden ist. Dennoch ist die Versuch-und-Irrtum- Vorgehensweise in der Praxis recht verbreitet, so zum Beispiel beim industriellen Tiefziehen, das unter anderem bei der Herstellung von Bauteilen für die Automobilproduktion eingesetzt wird. “Man baut eine Form, presst das Bauteil, schaut, ob es passt, und wenn es nicht passt, dann modifiziert man die Form und beginnt von vorn”, weiß Prof. Dr. Roland Herzog, Inhaber der Professur Numerische Mathematik (Partielle Differentialgleichungen) der TU Chemnitz. Seit 1. Oktober 2009 stellt er sich daher im Projekt “Optimale Steuerung in der Elastoplastizität: Analysis, Algorithmen, Numerische Analysis und Anwendungen” gemeinsam mit Gerd Wachsmuth und Frank Schmidt von der TU Chemnitz sowie Prof. Dr. Christian Meyer und Cornelius Viktor von der TU Darmstadt der Aufgabe, diesen aufwendigen Prozess abzukürzen und somit auch kostengünstiger zu machen.
Das Tiefziehen zählt zu den wichtigsten Verfahren der Blechumformung und ist für die Massenfertigung von Hohlkörpern von zentraler Bedeutung. Es bezeichnet das Umformen eines Blechzuschnitts mittels Zugdruck, so dass ein einseitig geöffneter Hohlkörper entsteht. Die dafür notwendige Presskraft wird von einem Stempel in den umzuformenden Bereich geleitet.
Nach Wegnahme der Belastung wird gespeicherte elastische Energie wieder abgegeben, was zur Folge hat, dass das Bauteil ein Stück zurückfedert. “Im Projekt versuchen wir, mathematisch einen Grundstein für die Optimierung dieses Prozesses zu legen. Dabei soll die Rückfederung mit berücksichtigt werden, mit dem Ziel, dass die Form des Bauteils nach erfolgter Rückfederung der gewünschten Bauform möglichst nahekommt”, erklärt Herzog. Gerd Wachsmuth, der im Bereich des Projektthemas promoviert, bringt durch eine frühere Anstellung als studentische Hilfskraft bei der Professur Konstruktionslehre der Fakultät für Maschinenbau bereits Praxiserfahrung mit. “Dort habe ich mich mit Plastizität, speziell mit plastischen Mehrfachpressverbindungen, beschäftigt. Das hat zwar nur entfernt mit unserem jetzigen Projektthema zu tun, es liegen aber dieselben
Gleichungen zugrunde”, erzählt Wachsmuth.
Aktuell arbeiten die Chemnitzer und Darmstädter Mathematiker noch viel mit Papier und Bleistift. “Im Moment beschäftigen wir uns mit den analytischen Grundlagen, um die Algorithmen, die wir entwickeln wollen, auch auf sichere Füße zu stellen. Das heißt, wir müssen in verschiedene Richtungen arbeiten, um zunächst die Wohlgestelltheit der Aufgabe zu sichern, sodass wir nicht nach einer Lösung suchen, die es nicht geben kann”, berichtet Herzog. Als besonders interessant, aber auch sehr anspruchsvoll erachtet er das noch bis Ende September 2012 laufende Projekt vor allem, weil es verschiedene Gebiete der Mathematik abdeckt: “Wir machen sowohl Analysis als auch Algorithmen sowie Numerik für das Problem. Des Weiteren spielt Optimierung eine Rolle. Man muss also sehr viele Dinge können, um auf dem Gebiet zu arbeiten.”
Das Projekt läuft im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Schwerpunktprogramms 1253, das derzeit 27 Projekte zum Thema “Optimierung mit partiellen Differentialgleichungen” umfasst. Über den Fortgang der einzelnen Projekte wird auf jährlich stattfindenden Statuskolloquien berichtet – ein Austausch von Erfahrungen, den Prof. Herzog zu schätzen weiß: “Es ist eine schöne Eigenschaft derartiger Schwerpunktprogramme, dass man die Möglichkeit hat, mit vielen, zu einem gemeinsamen Oberthema arbeitenden Gruppen zu kooperieren und von ihnen auch zu profitieren.” (TU Chemnitz)
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