Forschungsreisen: wie reagieren Moore auf Klimaänderungen?
Zwei Expeditionen in unwirtliche Gebiete – in die russische Republik Komi und ins sibirische Lenadelta – sollen klären, wie Moore auf Klimaänderungen reagieren. Prof. Lars Kutzbach vom KlimaCampus der Universität Hamburg erforscht ab Donnerstag, den 15.07.2010, mit seinem Team sowie deutschen und russischen Partnern die komplexen Wechselwirkungen zwischen hydrologischen Prozessen und dem Kohlenstoffkreislauf nordischer Feuchtgebiete. Befürchtet wird, dass diese durch die globale Erwärmung mehr Kohlenstoff in Form von Treibhausgasen emittieren. Die aktuellen Analysen werden wichtige Grundlagendaten zur Risikoabschätzung und für das Verständnis von Treibhausgas-Bilanzen liefern. In herkömmlichen Klimamodellen fehlte der Faktor „Moor“ trotz seiner Größenordnung bisher völlig.
Neu ist der Ansatz von Kutzbach, im Moor nicht nur die Kohlenstoff-, sondern auch die Wasserflüsse zu analysieren. Bisher wurden die Bereiche meist getrennt betrachtet. Doch Kohlenstofftransporte finden nicht nur vertikal zwischen Erdoberfläche und Atmosphäre statt, sondern auch horizontal in gelöster Form über den Wassertransport in Landschaften. „Indem wir hydrologische und meteorologische Daten mit Boden- und Wasseranalysen verknüpfen, können wir Kohlenstoff-Lecks im Moor aufdecken“, sagt Kutzbach.
„Für diese Orte untersuchen wir die beteiligten Mechanismen und ermitteln so die Bedingungen, unter denen Kohlenstoff und Treibhausgase aus Mooren entlassen werden.“ Die Ergebnisse helfen, eine wichtige Datenlücke in Klimamodellen zu schließen und erlauben Abschätzungen, inwieweit die Erderwärmung durch massive Emissionen von Treibhausgasen aus Mooren beschleunigt werden könnte.
Moorgebiete sind gigantische Kohlenstoffspeicher: Sie beherbergen weltweit mindestens 550 Gigatonnen Kohlenstoff, obwohl sie nur drei Prozent der Landoberfläche bedecken. Zum Vergleich: Die gesamte globale Vegetation speichert nur 600 Gigatonnen, der Mensch emittiert etwa acht Gigatonnen Kohlenstoff pro Jahr durch Verbrennung fossiler Energieträger. Steigt die globale Temperatur, könnte der bisher langfristig festgesetzte Kohlenstoff „aktiver“ werden, und mehr Kohlendioxid (CO2) und Methan (CH4) freigesetzt werden. Methan hat auf einen Zeitraum von 100 Jahren gerechnet einen 25-fach stärkeren Treibhauseffekt („Global warming potential“) als CO2.
Feldforschung, Frost und ewige Nacht
Das erste Areal erschließt das Team um Kutzbach westlich des Urals in der russischen Republik Komi. Dort bestehen 15 Prozent der Landesfläche aus Feuchtgebieten. Die zweimonatige Feldkampagne ist gleichzeitig Auftakt einer engen Kooperation mit Forschern der Universität Greifswald und des Komi Science Center. Gleichzeitig brechen die KlimaCampus-Forscher in die nördlichsten sibirischen Permafrostgebiete auf. Durch ein Anschmelzen dieser meist gefrorenen Moorböden können ebenfalls große Mengen Kohlenstoff als Treibhausgase freigesetzt werden. Über fünf Monate – bis in den arktischen Winter hinein – werden sie im Lenadelta bleiben und die Arbeiten dort in enger Kooperation mit der Forschungsstelle Potsdam des Alfred-Wegener-Instituts und dem Permafrost-Institut in Jakutsk durchführen.
Doktorand Peter Schreiber vom KlimaCampus ist einer der vier Extremforscher, die sich dafür auf Temperaturen zwischen minus 20 und minus 45 Grad Celsius und Feldforschung mit Taschenlampe bei ewiger Nacht einstellen: „Wir werden erstmals kontinuierlich sehr hochwertige Daten der Spurengase erheben, bis zu dem Zeitpunkt, wo der Permafrostboden komplett durchgefroren ist“, sagt Schreiber. „Besonders interessieren dabei die kaum untersuchten Prozesse an den Übergängen zwischen Sommer und arktischem Winter. Während des tiefen Polarwinters lassen wir die Messgeräte unbegleitet laufen, und im Frühjahr werden wir wieder vor Ort sein, bevor der Tauprozess beginnt. So erhalten wir erstmals ein vollständiges Jahreszeitenprofil.“
(Uni Hamburg)
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