Reise von Herzogin Anna Amalia nach Italien – Publikation
Reisen bildet. Das umso mehr, wenn diese Reise fast zwei Jahre dauert. In der heutigen, schnelllebigen Zeit kaum vorstellbar, so lange in einem einzigen Land zu verweilen. Anders Ende des 18. Jahrhunderts. Damals machten sich von Weimar aus mehrere Reisegesellschaften separat auf den Weg nach Italien. Johann Wolfgang Goethe zog es gleich mehrfach nach „Arkadien“ und er ist begeistert; Johann Gottfried Herder begleitet für ein Jahr den Trierer Domherrn Dalberg und kehrt eher ernüchtert zurück.
Exakt vor 222 Jahren machte sich auch Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar-Eisenach – damals unüblich für eine Frau ihres Standes – auf den Weg in das südliche Land. Fast 50-jährig erfüllte sie sich damit einen lang gehegten Traum und lässt sich stark beeindrucken.
Diese Reise steht im Mittelpunkt des neuen Bandes „Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar-Eisenach und die Italien-Beziehungen im klassischen Weimar“, das in der Edition Sturzflüge Bozen in Kooperation mit dem StudienVerlag Innsbruck-Wien-Bozen erschienen ist. Das Buch vereint die Beiträge einer von der Universität Verona und der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Tagung im September 2008, die im Deutsch-Italienischen Zentrum Villa Vigoni am Comer See von 15 Autoren gehalten wurden. Mit der Publikation legen die Herausgeber – Prof. Dr. Thomas Kroll vom Historischen Institut der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Dr. Siegfried Seifert von der Klassik-Stiftung Weimar und Prof. Dr. Peter Kofler von der Universität Verona – einen interdisziplinären Beitrag zur Geschichte der deutsch-italienischen Kulturbeziehungen des späten 18. Jahrhunderts vor, der u. a. Anregungen des inzwischen abgeschlossenen Sonderforschungsbereich 482 „Ereignis Weimar-Jena. Kultur um 1800“ an der Jenaer Universität aufgreift.
In ihren Aufsätzen, darunter auch fünf von Jenaer Wissenschaftlern, analysieren Germanisten, Romanisten, Geschichts- und Musikwissenschaftler aus Deutschland und Italien, was Italien im klassischen Weimar ganz konkret bedeutete. Sie untersuchen die vielschichtigen politischen, sozialen, literarischen, musikalischen und künstlerischen Aspekte des italienisch-deutschen Kulturaustauschs um 1800 auf staatlicher wie auf persönlicher Ebene und hinterfragen dabei nicht zuletzt den Begriff „Weimarer Musenhof“. Zugleich ergänzt der Band die bislang wenigen vorliegenden Studien zur Erforschung der Italien-Beziehungen im klassischen Weimar, dessen intellektuelles Milieu – so machen die Herausgeber im Vorwort deutlich – „eng mit der italienischen Kultur des ausgehenden 18. Jahrhunderts verbunden gewesen ist“. Denn im klassischen Weimar war die italienische Kultur stärker ausgeprägt als anderswo in Deutschland. Herzogin Anna Amalia liebte das Italienische. Dank geschickter Kulturpolitik und gezieltem Mäzenatentums holte sie entsprechende Lehrer und Ansprechpartner, etwa Herder und Goethe, nach Weimar, wo man den Mythos Italien lebte und künstlich verlängerte. Sie war so etwas wie eine „Zentralmuse“, die die strategischen Fäden in der Hand hielt.
Die in der Publikation vereinten Beiträge widmen sich drei großen Aspekten: den literarischen, den gesellschaftlich-politischen und der direkten Rezeption dessen, was in der damaligen italienischen Theater-, Musik- und Kunstszene up to date war. Dabei spielten die Italienreisen von Mitgliedern des Weimarer Hofes und in Weimar lebender Intellektueller eine wichtige Rolle. So heben die Herausgeber etwa das Erschließen und Interpretieren neuer Quellen hervor. Auch Zeugnisse aus dem Weimarer Nachlass von Anna Amalias Bibliothekars und Italienkenner Christian Joseph Jagemann gehören dazu. Der Weimarer Rezeption der Werke Giambattista Castis und Goethes „Tagebuch“-Gedicht nimmt sich der Jenaer Romanist Dr. Olaf Müller an, während der Jenaer Historiker Prof. Dr. Werner Greiling Überlegungen zu Theorie und Methode der Erforschung des damaligen Kulturtransfers einbringt. Sein Kollege Dr. Gerhard Müller untersucht Kultur als Politik am damaligen Weimarer Hof und macht dabei das historische Verdienst Anna Amalias deutlich.
Mitherausgeber Prof. Dr. Thomas Kroll begibt sich auf die Spuren Johann Gottfried Herders in Italien. Dabei geht es um politische Formen der Wahrnehmung Italiens am Ende des 18. Jahrhunderts. Herder, der nach seiner Italienreise (1788/89) meinte, dass es leichter sei, in Tiefurt von Arkadien zu träumen als es in Italien selbst zu finden, empfand Italien dennoch als seine „größte Bildungsschule“. Schenkte die Forschung bislang vor allem Goethes Italienreisen besondere Aufmerksamkeit, zeigt die neue Publikation, wie überaus vielschichtig diese Beziehungen im ausgehenden 18. Jahrhundert wirklich waren. (Uni Jena)
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