Winterquartiere antarktischer Raubmöwen
Bei der Wahl ihres Winterquartiers zeigen sich antarktische Raubmöwen flexibel. Das belegt die Studie eines internationalen Forscherteams unter der Leitung des Polar-Ornithologen Dr. Hans-Ulrich Peter von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Demnach verbringt ein Großteil der Südpolar-Skuas, die zu den Raubmöwen gehören, den antarktischen Winter im Nordatlantik, während etwa ein Drittel der Tiere der gleichen Art, zehntausende Kilometer entfernt, im Nordpazifik überwintern.
Um die Flugrouten der Vögel zu bestimmen, hat Doktorand Matthias Kopp unter der Leitung von Dr. Peter seit 2006 Südpolar-Skuas in ihren Brutgebieten auf King George Island, rund 120 Kilometer vor dem antarktischen Festland, mit Datenloggern versehen, ihre Positionsdaten über mehrere Jahre aufgezeichnet und gemeinsam mit britischen Kollegen und einem Wissenschaftler aus der Schweiz ausgewertet. „Anhand dieser Daten können wir jetzt erstmals eindeutig sagen, dass die Südpolar-Skuas nicht, wie ihre nahen Verwandten die Braunen Skuas, vor der Küste Argentiniens, sondern überwiegend auf der Nordhalbkugel überwintern“, macht Studienleiter Dr. Peter deutlich. Wo die Tiere überwintern und auf welchen Routen sie ihre Winterquartiere ansteuern, darüber konnten die Forscher bisher lediglich spekulieren. „Die Beobachtungen einzelner Tiere ließ uns zwar vermuten, dass die Tiere im Atlantik überwintern. Dass ein erheblicher Teil von ihnen sich im Winter in der Mitte des Nord-Pazifiks aufhält, war bisher jedoch nicht bekannt“, so der Jenaer Wissenschaftler, der seit 1983 regelmäßig in der Antarktis forscht.
Ganz gleich, welchen Ozean die Vögel zum Überwintern ansteuern, ihre Flugrouten weisen beachtliche Übereinstimmungen auf: So verlaufen die Flugrouten nach Norden und die Rückreise nach Süden jeweils in Form einer Schleife, die sich auf Höhe des Äquators kreuzen. Zusammen betrachtet, beschreiben die Tiere auf ihrem Flug eine große „Acht“. Während die Skuas, die ihr Winterquartier im Atlantik haben, zunächst in einem breiten Korridor entlang der Ostküste Südamerikas gen Norden fliegen, ändern sie – nachdem sie den Äquator passiert haben, die Richtung und schwenken nach Nordwesten ein. Ende Mai erreichen sie ihr Quartier im Nordatlantik. Mit dem Wind und der Meeresströmung wandern sie während der drei Monate, die sie hier auf offener See verbringen, mehr als 1.000 Kilometer ostwärts, bevor sie Ende August den Rückflug antreten. Vor der Ankunft in ihrem Brutgebiet auf King Georg Island legen sie jedoch noch einen Zwischenstopp ein: Bis zu drei Wochen lang rasten die Vögel vor der Küste Patagoniens und füllen ihre Kraftreserven auf.
Auch die Flugroute in den Nordpazifik führt zunächst entlang der Küste Südamerikas und wechselt über dem Äquator die Richtung gen Nordwesten. Mitte Mai – zwei Wochen früher als ihre Artgenossen, die im Atlantik überwintern – erreichen die Skuas ihr Winterquartier im Pazifik. Auch hier lassen sich die Tiere bis Ende August von Wind und Wellen bis zu 3.000 Kilometer ostwärts treiben. Der Rückweg führt sie in einem weiten Bogen südwestwärts in Richtung Neuseeland und schwenkt schließlich in südöstlicher Richtung auf den Antarktischen Kontinent ein. Auch sie rasten einige Tage, bevor sie in ihr Brutgebiet zurückkehren. „Wir vermuten, dass die Tiere diese Ruhephase brauchen, um sich von den Strapazen der langen Reise durch die nahrungsarmen Tropen zu erholen“, sagt Dr. Peter.
Haben sich die Skuas einmal für einen Ozean als Winterquartier entschieden, dann steuern sie diesen auch in den folgenden Jahren immer wieder an. Was für die Tiere letztlich ausschlaggebend ist, sich für eine Richtung zu entscheiden, das können die Forscher bisher noch nicht sagen. „Fest steht, dass sich die Tiere selbstständig orientieren und die Route nicht von den Eltern erlernen“, weiß Dr. Peter. Für ihn und seine Kollegen bleiben also noch einige Fragen offen. Deshalb wird der Jenaer Wissenschaftler auch in diesem Jahr, in dem sich die Ankunft Roald Amundsens als erstem Menschen am Südpol zum 100. Mal jährt, selbst zu einer Forschungsreise in die Antarktis aufbrechen. Zwei seiner Studenten sind schon jetzt vor Ort und haben die ersten Skuas gefangen. Für Hans-Ulrich Peter ist es die 22. Expedition zum südlichsten Kontinent der Erde. (Uni Jena)
» Diesen Artikel via Mail weiterempfehlen
Schreiben Sie einen Kommentar »
Uni Jena: Masterstudiengang ohne vorheriges Bachelorstudium
An der Friedrich-Schiller-Universität Jena ist es nun möglich, den dreisemestrigen berufsbegleitenden Masterstudiengang „Weiterbildung & Personalentwicklung“ auch ohne ein vorheriges Bachelorstudium zu absolvieren. Mit der Änderung der Studienordnung wird der Weg für Studieninteressierte geebnet, die bisher keinen akademischen Hintergrund haben. Die…
Parabelflieger Airbus A300 ZERO-G geht in den Ruhestand
5.200 Flüge, 4.200 Flugstunden und 13.180 Parabeln hat der Airbus A300 ZERO-G im Dienste der Wissenschaft und Schwerelosigkeitsforschung gemeistert. Nun verabschiedet sich der Parabelflieger der französischen Firma Novespace nach der 25. Forschungskampagne des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR)…
Prof. Andreas Müller neuer Leiter der Neonatologie am Uni-Klinikum Bonn
Prof. Dr. Andreas Müller ist neuer Leiter der Frühgeborenenmedizin am Zentrum für Kinderheilkunde des Universitätsklinikums Bonn. Als Leitender Oberarzt in der Bonner Universitäts-Neonatologie spezialisierte er sich unter anderem auf die Intensivmedizin bei Früh- und Neugeborenen. Neben der Betreuung Früh- und…
“genius loci” – philosophische Essays und Kunstfotografie
Unter dem Titel „genius loci“ vereinen der Jenaer Philosophie-Professor Klaus Vieweg und der in Los Angeles lebende Fotograf Patrick Lakey philosophische Essays und Kunstfotografie. Die anschauliche Publikation richtet sich insbesondere an die philosophisch interessierte Öffentlichkeit, betont Vieweg, der an der…
Kohlenmonoxid für die Medizin nutzen
Es ist ein geruchloses, unsichtbares Gas und ein tödliches Gift: Wird Kohlenmonoxid – chemisch kurz CO – eingeatmet und gelangt ins Blut, verhindert es den lebensnotwendigen Sauerstofftransport und das führt unweigerlich zum Erstickungstod. Umso mehr mag es verwundern, dass das…