Cyber-Mobbing an Schulen – neues Forschungsprojekt an der Uni Hohenheim
Angst, Schlafstörungen oder gar Selbstmord: Cyber-Mobbing ist ein ernstes Thema. Doch wissenschaftlich untersucht hat es bisher kaum jemand. Der Lehrstuhl Kommunikationswissenschaft insb. interaktive Medien- und Onlinekommunikation von Prof. Dr. Thorsten Quandt will die öffentlichen Spekulationen nun durch harte Fakten ersetzen. An mehreren Dutzend Stuttgarter Schulen werden die Forscher der Universität Hohenheim deshalb drei Jahre lang anonyme Befragungen durchführen. Die Ergebnisse sollen langfristig dazu dienen, effektive Strategien im Kampf gegen Cyber-Mobbing für die Schul- und Jugendarbeit zu entwickeln. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das Langzeitprojekt mit 250.000 Euro. Damit ist es ein Schwergewicht der Forschung an der Universität Hohenheim.
Verschlossene Opfer und gelangweilte Täter: „Die öffentliche Diskussion über Cybber-Mobbing ist geprägt von Stereotypen und vorschnellen Urteilen“, sagt Prof. Dr. Quandt. Auch die preisgekrönte ARD-Produktion „Homevideo“ sei keine Ausnahme. Der Grund: „Die Forschung hat das Thema bisher kaum für sich entdeckt“, sagt der Kommunikationswissenschaftler. Deshalb gebe es bislang kaum fundierte Untersuchungsergebnisse.
Eine Vorstudie vom vergangenen Frühling hat bereits Erstaunliches zu Tage gefördert: So ist das Phänomen Cyber-Mobbing bei weitem keine Seltenheit mehr. Über ein Fünftel der 409 befragten Schüler an zwei Schulen im Großraum Stuttgart gaben an, schon einmal persönliche Erfahrungen mit den virtuellen Angriffen gemacht zu haben. Besonders häufig gemobbt werden dabei Mädchen und Schüler unterer Klassenstufen. Die Täter sind dagegen häufig gut integrierte Kinder aus der Mitte der Klasse.
Soziale Netzwerke sind geheime Schüler-Welten
Klar ist auch: Das Internet ist zwar Teil des Problems, aber nicht der Grund für Cyber-Mobbing. „Mobbing-Fälle an Schulen hat es schon immer gegeben“, klärt Prof. Dr. Quandt auf. „Neu ist nur, dass sich das gesellschaftliche Leben mit all seinen Konflikten zunehmend in der virtuellen Welt abspielt.“
Fiese Zeichnungen am Schwarzen Brett oder kleine Zettel, die im Klassenzimmer die Runde machen, können aufmerksame Lehrer mühelos verhindern. Aber was in sozialen Netzwerken wie SchülerVZ vor sich geht, bleibt Kindern und Jugendlichen vorbehalten. „Das sind geheime Welten, in die Lehrer kaum vordringen können“, sagt Prof. Dr. Quandt.
Das Problem an der Wurzel packen
Einblicke sollen anonyme Befragungen an mehreren Dutzend Stuttgarter Schulen bringen. In den kommenden drei Jahren will Projektleiterin Ruth Festl, Mitarbeiterin am Lehrstuhl von Prof. Dr. Quandt, gleich dreimal Klassenstruktur und Freundschaftsnetzwerke beleuchten, Persönlichkeitsprofile sowie Opfer- und Täterrollen in Erfahrung bringen. „Damit erfassen wir auch zeitliche Änderungen“, begründet sie ihr Vorgehen.
Pädagogin Festl und ihr interdisziplinäres Team aus Kommunikationswissenschaftlern und Psychologen haben ein klares Ziel vor Augen: Interventionsstrategien gegen Cyber-Mobbing für die Schul- und Jugendarbeit. Damit wollen sie das Problem an der Wurzel packen. Für die Forscher steht nämlich fest: „Die öffentliche Diskussion mit ihren Vorurteilen verhindert passende Lösungen.“
Hintergrund: Forschungsprojekt Cyber-Mobbing
Die Vorstudie des Forschungsprojekts Cyber-Mobbing ist wegen ihres innovativen Ansatzes bereits mit einem Top Paper Award der International Communication Association ausgezeichnet worden. Momentan führen die Forscher aus Hohenheim Gespräche mit der Stadt Stuttgart, dem Schulamt und der Caritas. Für das Frühjahr 2012 ist die erste Befragungswelle vorgesehen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert die auf drei Jahre angelegte Studie mit 250.000 Euro. (Uni Hohenheim)
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