1. März 2011, Uni Gießen

Neue Methode zur Berechnung der Dimension von komplexen Netzwerken

Eine neue Methode zur Berechnung der Dimension von komplexen Netzwerken hat ein internationales Team von Physikern unter maßgeblicher Beteiligung des Gieße­ner Theoretischen Physikers Prof. Armin Bunde entwickelt. Der Beitrag, der in Ko­operation mit Kollegen der Bar Ilan-Universität in Ramat Gan, Israel, entstanden ist, wurde kürzlich von der renommierten Fachzeitschrift „Nature Physics“ unter dem Titel „Dimension of spatially embedded networks“ im Internet veröffentlicht und erscheint jetzt in der März-Ausgabe.

Die Dimension eines Gegenstandes ist eine zentrale Größe in der Physik, um ihn zu charakterisieren, da dessen physikalische Eigenschaften stark von der Dimen­sion abhängen. Eine Gerade, ein Faden oder ein Draht haben beispielsweise die Dimension 1, eine Fläche oder ein Blatt Papier haben die Dimension 2, und ein Körper oder ein Holzwürfel haben die Dimension 3. In der Natur kommen allerdings auch Dimensionen vor, die zwischen 1 und 3 liegen. So hat die Küstenlinie vor England etwa die Dimension 1,3, oder ein Flussbett hat die Dimension 1,7.

Ein Netzwerk besteht aus Knoten und Verbindungen zwischen den Knoten. Netz­werke können unterschiedliche Dimensionen haben, je nach der jeweiligen Län­genverteilung der Verbindungen. Ein einfaches Beispiel ist ein Fischernetz: Es ver­bindet benachbarte Knoten miteinander, die jeweils in derselben Entfernung zu den Knoten liegen, und hat deshalb die Dimension 2. Dies wird deutlich, wenn man das Fischernetz auf der Erde ausbreitet: Dann ist es mit einer Fläche vergleichbar. Ganz anders sieht es bei komplexen Netzwerken wie beispielsweise Flugverbin­dungen aus: Auch sie sind in den zweidimensionalen Raum „eingebettet“, da die Flughäfen (=Knoten) sich auf der Erdoberfläche befinden. Zwei Flughäfen gelten als miteinander verbunden, wenn es eine direkte Flugverbindung zwischen ihnen gibt. Allerdings sind nicht nur benach­barte Flughäfen mit nur kurzen Distanzen miteinander verbunden, sondern bei den großen Fluglinien gibt es auch zahlreiche direkte Mittelstrecken- und Langstrecken­flüge, auch wenn es i.a. insgesamt weni­ger Verbindungen zu den entfernteren Flughäfen oder Knotenpunkten sind. Diese Tatsache bewirkt, dass die Dimension dieses Netzwerks nicht mehr 2 ist, sondern sehr viel höher bei 3 liegt. Dem Internet muss man sogar eine Dimension von 4,5 zuweisen.

Die Dimension von Flugverbindungen kann bei­spielsweise wichtig sein kann, um die Geschwindigkeit der Ausbreitung einer Epi­demie zu bestimmen, die Dimension des Internet ist von Bedeutung für die Aus­breitung von Viren. Wie genau man die jeweilige Dimension von komplexen Netzwerken berechnet und wie groß sie jeweils sind, das hat nun das Team um Prof. Shlomo Havlin und Prof. Armin Bunde herausgefunden.

Bei der Publikation handelt es sich übrigens um eine internationale Zu­sammenarbeit besonderer Art. Das Autoren-Team Li Daqing, Kosmas Kosmidis, Armin Bunde und Shlomo Havlin repräsentiert vier Nationen: Der Erstautor des Beitrags Li Daqing ist ein chinesischer Physiker, der als Doktorand bei Shlomo Havlin in Israel geforscht hat. Im Mai wird er bei Armin Bunde in der Gießener Theoretischen Physik erwartet. Kosmas Kosmidis, ein griechischer Physiker von der Aristoteles-Universität in Thessaloniki, war bis vor kurzem noch im Gießener Institut für Theoretische Physik bei Armin Bunde zu Gast.

Die Arbeiten wurden u.a. von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Israel Science Foundation gefördert. (Uni Gießen)



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