7. Februar 2013, Uni Jena

Müllproblem in der Antarktis

Die wohl berühmtesten Fußabdrücke haben im Juli 1969 die Amerikaner Neil Armstrong und Buzz Aldrin auf dem Mond hinterlassen. Seit die Astronauten mit der Apollo 11-Mission als erste Menschen die Oberfläche unseres Trabanten betreten haben, sind ihre Spuren dort nahezu unverändert. Und weil kein Windhauch sie jemals verwehen kann, werden sie wohl für alle Zeiten sichtbar bleiben.

Nicht ganz so alt, doch ebenso „unvergänglich“ sind viele Spuren, die Menschen am südlichen Pol der Erde hinterlassen haben. Das geht aus dem Bericht zur „Aktuellen Umweltsituation und Vorschläge zum Management der Fildes Peninsula Region“ hervor, den Wissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität Jena im Auftrag des Umweltbundesamtes angefertigt haben und der jetzt veröffentlicht worden ist. Demnach ist die Natur in der Antarktis längst nicht mehr so unberührt, wie viele sich das vorstellen: Fahrzeugreifen und -ketten haben kilometerweit die spärliche Vegetation durchpflügt, Überreste von Versuchsaufbauten und nicht mehr genutzte Feldhütten wittern langsam vor sich hin. Müll – teilweise mit Gefahrgut wie Chemikalienresten, ausrangierten Ölfässern oder Fahrzeugbatterien – liegt offen herum. Hinzu kommen ölverschmutzte Küstengewässer und Strände durch Ölhavarien oder mangelhaften Umgang mit Treibstoff in den Stationen.

„Mittlerweile haben wir in der Antarktis ein veritables Müllproblem“, sagt Dr. Hans-Ulrich Peter von der Universität Jena, der den Bericht federführend verfasst hat. Dies betreffe vor allem King Georg Island, eine Insel etwa 120 Kilometer vor dem antarktischen Kontinent. Dort, genauer auf der Fildes-Halbinsel, forscht der Ökologe seit 1983 regelmäßig und hat die Umweltveränderungen seither akribisch dokumentiert. „Die Fildes-Halbinsel ist eines der größten eisfreien Gebiete der Antarktis mit vergleichsweise großer Biodiversität“, weiß Dr. Peter. Dies mache diese Region für die Wissenschaft besonders interessant. Allerdings habe das auch zur Folge, dass sich dort auf relativ engem Raum sechs permanent bewohnte Forschungsstationen inklusive Flugzeuglandebahn konzentrieren, was dieses Gebiet zum logistischen Drehkreuz der internationalen Antarktisforschung macht. Und das mit allen Folgen, die eine regelmäßige menschliche Besiedelung nach sich zieht. So haben die Ökologen der Uni Jena in den vergangenen knapp 30 Jahren festgestellt, dass neben globalen Klimaveränderungen, die in der Antarktis besonders gravierend spürbar sind, vor allem lokale Einflüsse des Menschen die Natur in der Südpolarregion bedrohen.

„Aufgrund der extremen klimatischen Bedingungen regeneriert sich die sensible Vegetation nur sehr langsam“, sagt Christina Braun aus Dr. Peters Team, die selbst bereits sieben Mal zu Forschungsaufenthalten auf der King George Insel war. „Fahrzeugspuren sind teilweise jahrzehntelang zu sehen.“ Neben den durch Fahrzeuge und Bautätigkeiten verursachten Vegetationsschäden, sei die einzigartige Flora der Antarktis aber auch von eingeschleppten Pflanzen bedroht, so Christina Braun. „Bereits vor einigen Jahren haben wir in der Nähe der russischen Forschungsstation Bellingshausen nicht-heimische Gräser gefunden.“ Auch Insekten und andere Tier- und Pflanzenarten, die von Expeditionsteilnehmern eingeschleppt werden, sind eine Gefahr für das Ökosystem.

„Wenn es kein grundlegendes Umsteuern gibt, werden sich diese negativen Umwelteinflüsse in den kommenden Jahren noch verstärken“, befürchtet Hans-Ulrich Peter. Daher schlagen die Jenaer Ökologen in ihrer rund 130 Seiten starken Publikation konkrete Maßnahmen zum Management der sensiblen Region vor: Kernpunkt ist das Ausweisen der Fildes-Halbinsel als „besonderes antarktisches Verwaltungsgebiet“ (engl: Antarctic Specially Managed Area, kurz „ASMA“). Mit diesem Instrument der besonderen Verwaltung wären für die Nutzung des Gebietes rechtlich verbindlich umweltgerechte Standards festgelegt, die die Interessenkonflikte zwischen Wissenschaft, Logistik, Tourismus und dem Schutz geologischer und historischer Stätten sowie der Natur reduzieren sollen. Allerdings blockiere die Uneinigkeit unter den Antarktis-Vertragsstaaten bislang eine Umsetzung dieses Vorschlags, bedauert Dr. Peter.

Der Ökologe ist gerade von seiner mittlerweile 23. Expedition in die Antarktis nach Jena zurückgekehrt.

Der vollständige Bericht in deutscher Sprache ist im Internet abrufbar unter: http://www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-l/4423.pdf bzw. in Englisch unter: http://www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-l/4424.pdf.
(Uni Jena)



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