12. Dezember 2009, Aktuelles, Uni Frankfurt

Entwicklung der Immobilienmärkte von Finanzzentren

Probleme um Verkauf und Vermietung des bezugsfertigen Frankfurter Opernturm zeigen exemplarisch, wie sensibel der Immobilienmarkt in Finanzzentren auf Krisen reagiert und wie eng das Büroimmobilien-Geschäft mit der Liberalisierung der Finanzmärkte zusammenhängt. Die Wissenschaftlerinnen Prof. Susanne Heeg und Sabine Dörry vom Institut für Humangeographie der Goethe-Universität untersuchen seit Jahren die Entwicklung der Immobilienmärkte von Finanzzentren. In der neuen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins ‚Forschung Frankfurt‘ stellen sie einige ihrer Forschungsergebnisse vor.

Der europäische Finanzplatz Frankfurt ist stärker als andere deutsche Städte von den Schwankungen betroffen. Die neuen Möglichkeiten, die die liberalisierten Finanzmärkte bieten, führten in der Mainmetropole zu erheblichen Ausschlägen nach oben wie unten. Eine Vielzahl von unternehmensorientierten Dienstleistungen wie Banken, Consulting-Firmen und Rechtsanwaltsunternehmen haben sich in den vergangenen Jahren am Finanzplatz Frankfurt angesiedelt und damit eine stabile Nachfrage nach hochwertigem und hochpreisigem Büroraum garantiert, was Frankfurt als Investitionsziel für viele Immobilienanleger sehr attraktiv machte. Gleichzeitig wurde es damit aber im doppelten Sinne abhängiger von den Finanzmärkten: In Boomzeiten stocken diese Firmen ihr Personal auf, Entlassungen in der Krise reduzieren den Bedarf an Büroraum; Immobilien sind heute meist Anlageprodukte der Finanzwirtschaft und unterliegen damit auch dem Auf und Ab der Branche; sie sind deshalbaber häufig auch von Zyklen des lokalen Immobilienmarkt entkoppelt.

Vor der Liberalisierung der Finanzmärkte, die sich ab Ende der 1990er Jahre auch verstärkt in Deutschland auswirkte, waren die Immobilienmärkte inselhaft organisiert: Überregionale Immobilieninvestitionen wurden kaum getätig. Vielmehr waren viele Investoren überwiegend lokal aktiv. Aber die enorme Kapitalintensität der Immobilieninvestitionen brachte ein fundamentales Problem mit sich: Die meist über Bankkredite finanzierten Immobilien banden große Summen auf lange Sicht, ihre Erträge hingen von schwer vorhersagbaren Faktoren wie der lokalen Wirtschaftsentwicklung oder der Arbeitsplatzentwicklung im Dienstleistungssektor ab. Die Finanzierungsrisiken bündelten sich an zwei Stellen: beim Eigentümer, der auf stabile Erträge angewiesen war, um seine Kredite zu bedienen, und bei der kreditgebenden Bank, die das Ausfallrisiko trug. „Diese Situation änderte sich durch Finanzinnovationen wie offene und geschlossene Immobilienfonds, Immobilien-AGs oder Real Estate Private Equity Fonds. Das Kapital wird über diese Fonds auf dem freien Kapitalmarkt besorgt, indem Anleger Geld investieren. Auf diese Weise verlagert sich auch das Risiko des Kapitalverleihs von der kreditgebenden Bank auf den Anleger, und Immobilien wandeln sich zu handelbaren und im optimalen Fall kurzfristig liquidierbaren Finanzanlageprodukten mit klaren Renditeanforderungen“, erläutert Prof. Heeg. Zentrale Akteure sind institutionelle Investoren wie Investmentfonds und Pensionskassen, deren Aufstieg durch die Liberalisierung der Finanzmärkte auf der nationalen und EU-Ebene forciert wurde. Sie sind heute mächtige Akteure auf den weltweiten städtischen Immobilienmärkten.

Die international agierenden Immobilienberatungen, die seit vielen Jahren in den großen Finanzzentren tätig sind, machten den Markt für Immobilien transparent. Diese Märkte sind für Anleger zwar weniger risikoreich, dennoch ist der Erfolg dieser Investments heute keineswegs kalkulierbarer. Dazu Sabine Dörry: „Beispielsweise waren die aktuellen Entwicklungen auf den Büroimmobilienmärkten infolge der Finanzmarktkrise trotz guter Informationsbasis nicht vorhersehbar. Ein Problem der Markt- und Risikoanalyse beruht darauf, dass auf der Basis von ‚Expost‘-Daten zukünftige Entwicklungen projiziert werden. Ein weiteres Problem liegt darin, dass die spekulativen Tendenzen, die bei den Immobilienanlagen wie bei anderen Finanzprodukten auftraten, in den ökonometrischen Modellen keine Berücksichtigung fanden.“ Zudem folgten die Marktteilnehmer offensichtlich eher einem Herdentrieb: Kaum jemand wollte zuerst auf die Gewinnmitnahmen im sich drehenden Roulette kurz vor dem Zusammenbruch verzichten. „2007 galten London und Frankfurt noch als sehr sichere Märkte. Ein Jahr später erwies sich dies als Fehleinschätzung, beide Orte waren von der Krise deutlich stärker betroffen als andere Immobilienmärkte in Großbritannien und Deutschland“, ergänzt Heeg.

Das lässt sich auch am Beispiel des Operntrums belegen: 2002 wurde das Zürich-Haus abgerissen, bis 2006 lag das Grundstück wegen wirtschaftlicher Probleme der Zürich-Versicherung brach. Dann wurde das Grundstück an den US-amerikanischen Projektentwickler Tishman Speyer veräußert, der seit Ende 2006 die Realisierung des Opernturms betreibt. Der Verkauf des Opernturms an den offenen Immobilienfonds KanAm im Jahr 2008 schlug indes fehl. KanAm begründete seine Entscheidung offiziell mit dem geplanten Hauptmieter UBS und die durch die aktuelle Finanzkrise „noch nicht absehbaren Auswirkungen auf den Bankensektor“. Inoffiziell hieß es dagegen, dass KanAm die neuerdings gesetzlich vorgeschriebene Eigenkapitaldecke von fünf Prozent für den Kauf des Opernturms nicht erfüllen konnte. Anleger hatten – verunsichert durch die Finanzkrise – kurzfristig Ersparnisse in Milliardenhöhe abgezogen; KanAm musste seinen offenen Fonds vorübergehend schließen. Bis heute hat Tishman Speyer für sein Prestigeobjekt Opernturm keinen Käufer gefunden.

Die Wissenschaftlerinnen beleuchten auch die von der Stadt Frankfurt praktizierte Liberalisierungspolitik, die die städtischen Gestaltungsspielräume immer stärker einengt. Ob sie diese wieder zurück gewinnen kann? Dazu Dörry: „Dies ist äußerst schwierig, da die Stadt ausgedehnte Grundstücksflächen zunehmend Großinvestoren überlässt und die Kommune immer weniger über die Ressource Boden verfügen kann. Einen Versuch, die Immobilieninvestitionen stärker zu lenken und sozial verträglicher zu gestalten, machte die Stadt 1998 mit dem ersten Hochhausentwicklungsplan sowie mit Auflagen, dass für jeden Bürobau auch eine vereinbarte Anzahl an Wohnungen zu errichten ist. Ob und wie eine solche Strategie langfristig erfolgreich sein kann, bleibt jedoch abzuwarten.“ (Uni Frankfurt)



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