Ausstellung biblischer und apokrypher Handschriften
Vom im Jahr 2006 in Washington präsentierten Judas-Evangelium (4./5. Jahrhundert), das hier erstmals in Deutschland zu sehen sein wird, bis zur berühmten Furtmeyr-Bibel aus der Mitte des 15. Jahrhunderts reicht das Spektrum biblischer und apokrypher Handschriften, die vom 13. Januar bis zum 30. April 2010 in der Schatzkammer der Universitätsbibliothek Augsburg gezeigt werden.
Augsburg/KPP – Zwei koptische Papyruskodizes des 4./5. Jahrhunderts, die vor 40 Jahren in Ägypten entdeckt wurden, stehen im Mittelpunkt der Ausstellung “novum opus ex veteri”, die am 12. Januar 2010 in der Schatzkammer der Universitätsbibliothek Augsburg eröffnet wird. Mit diesen beiden Kodizes, die das apokryphe Judas-Evangelium und die erste Apokalypse des Jakobus bzw. die paulinischen Briefe überliefern, sowie mit weiteren herausragenden Leihgaben und wertvollsten Handschriften aus den Oettingen-Wallersteinschen Beständen der Universitätsbibliothek Augsburg bietet die bis zum 30. April 2010 laufende Ausstellung einen einzigartigen, vom 4. Jahrhundert bis zur Furtmeyr-Bibel aus der Mitte des 15. Jahrhunderts reichenden Überblick über biblische und apokryphe Handschriften aus Spätantike und Mittelalter.
Judas-Evangelium und Paulus-Briefe
“novum opus ex veteri”- “ein neues Werk aus alten”: So hat Hieronymus gegen Ende des 4. Jahrhunderts seine Bibelübersetzung charakterisiert, die das Ziel hatte, die in Umfang und Wortwahl stark variierende Überlieferung biblischer Texte zu vereinheitlichen.
Die einmalige Gelegenheit zu der mit diesem Hieronymus-Dictum betitelten Augsburger Ausstellung hat sich durch die aktuellen Forschungen des Augsburger Kirchenhistorikers Prof. Dr. Gregor Wurst ergeben: Der noch gänzlich unpublizierte Kodex mit den Paulusbriefen wurde ihm vorübergehend von der Schweizer Privatsammlung F. Nussberger-Tchacos zur Bearbeitung in Augsburg zur Verfügung gestellt und wird für die Bearbeitungsdauer in der Universitätsbibliothek Augsburg aufbewahrt.
Zugleich erklärte sich die Baseler Maecenas Foundation for Ancient Art bereit, Wurst Teile des Kodex mit dem Judas-Evangelium und der Jakobus-Apokalypse, der in der Genfer Bodmer-Bibliothek aufbewahrt wird, leihweise für die erstmalige Präsentation in Deutschland im Rahmen dieser Augsburger Ausstellung zu überlassen. Wurst ist einer der Autoren des – anlässlich der erstmaligen Vorstellung dieses Kodex in Washington – 2006 bei National Geographic publizierten und 2008 in 2. ergänzter und überarbeiteter Auflage erschienen Bandes “The Gospel of Judas from Codes Tchacos”.
Z. B. Echternacher Evangeliar und Furtmeyr-Bibel
Von diesen beiden spektakulären spätantiken Kodizes ausgehend spannen in der Augsburger Ausstellung weitere wertvolle Leihgaben aus dem Diözesanmuseum Augsburg, aus der Staatsbibliothek Bamberg und aus der Universitätsbibliothek München zusammen mit kostbaren Handschriften aus der Oettingen-Wallerstein-Sammlung der Universitätsbibliothek Augsburg den Bogen bis zum Spätmittelalter:
Zu sehen sind u. a. vorkarolingische und karolingische Evangeliare. Das älteste von ihnen wurde im Kloster Echternach um 705 und damit noch zu Lebzeiten des Heiligen Willibrord geschrieben und im insularen Stil illuminiert. Es führt in die früheste Zeit der deutschen Sprache ein, seine althochdeutschen Glossen gelten nach derzeitigem Forschungsstand als die ältesten Aufzeichnungen in deutscher Sprache überhaupt. Die Ausstellung zeigt weiterhin kleinformatige Pariser Vollbibeln – sogenannte Perlbibeln – aus dem Hochmittelalter sowie apokryphe Texte wie der Laodicenerbrief oder der Briefwechsel Jesu mit König Abgar von Edessa, die im lateinischen Mittelalter überaus beliebt waren.
Eine besondere Rarität stellt der griechische Apokalypsen-Kommentar des Erzbischofs Andreas von Caesarea (um 600) dar, den Erasmus von Rotterdam bei der Texterstellung für die erste gedruckte mehrsprachige Bibel (Basel 1516) benutzt hat. Einen Endpunkt des handgeschriebenen Buches markiert schließlich die monumentale zweibändige Bibel aus dem Besitz Herzog Albrechts IV. von Bayern (1493-1550) und dessen Gemahlin Kunigunde von Österreich, die der Regensburger Buchmaler Berthold Furtmeyr an der Schwelle von der Gotik zur Renaissance prächtig illuminiert hat.
Aus den Beständen einer erst 40-jährigen Universität
“Es scheint auf den ersten Blick überraschend, dass wir als die Bibliothek einer jungen Universität, die 2010 ihr erst 40-jähriges Bestehen feiert, in diesem Jubiläumsjahr eine Ausstellung präsentieren können, die anhand von 23 wertvollen Handschriften einen Überblick über die biblische und apokryphe Literatur zwischen dem 4. und dem 15.
Jahrhundert vermittelt, zumal wir 18 Handschriften – darunter spektakulräre Stücke wie die Furtmeyr-Bibel oder die Spanische Bilderbibel – aus eigenem Bestand beisteuern können”, so der Direktor der Universitätsbibliothek Augsburg, Dr. Ulrich Hohoff. “Zu danken haben wir dies einem Umstand, der 2010 für uns zum doppelten Jubiläumsjahr macht: Denn 30 Jahre ist es her, dass der Freistaat Bayern für die Universitätsbibliothek Augsburg mit der Sammlung der Familie Oettingen-Wallerstein die größte Bibliothek ankaufte, die in Deutschland seit den Jahren der Säkularisation des Klosterbesitzes ihren Besitzer wechselte.”
Sei dem 15. Jahrhundert hatte das Haus Oettingen-Wallerstein seine Büchersammlung aufgebaut, die nach 1800 durch fünf Klosterbibliotheken erheblich erweitert und in den ersten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts durch den Ankauf einzelner spektakulärer Handschriften ergänzt wurde, so dass sie heute als Sondersammlung der Universitätsbibliothek Augsburg knapp 120.000 Drucke sowie 2.200 Handschriften und 1.300 Inkunabeln umfasst.
Exemplarische Abbildung von 1100 Jahren biblischer und apokrypher Handschriften
Die bibliothekarische und wissenschaftliche Erschließung dieser wertvollsten Sondersammlung der Universitätsbibliothek Augsburg ist in den zurückliegenden drei Jahrzehnten mit Unterstützung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft weit vorangeschritten. “novum opus ex verteri” steht in der Tradition einer ganzen Reihe von Ausstellungen, mit denen die Universitätsbibliothek Augsburg die Schätze aus der Oettingen-Wallerstein-Sammlung im Zuge ihrer Erschließung immer wieder einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich macht.
“Das Besondere an unserer neuen Ausstellung ist, dass wir hier eine gezielte Auswahl unserer eigenen Zimelien durch höchstwertige Leihgaben zu einer Präsentation biblischer und apokrypher Handschriften ergänzen konnten, die elf Jahrhunderte anhand herausragender Rara exemplarisch abbildet”, erläutert Dr. Günter Hägele. Als Leiter der Abteilung Handschriften, Alte Drucke und Sondersammlungen der Universitätsbibliothek Augsburg hat er die Ausstellung “novum opus ex veteri” gemeinsam mit dem Kirchenhistoriker Prof. Dr. Gregor Wurst initiiert und konzipiert.
Die Ausstellung “novum opus ex veteri” wird vom 13. Januar bis zum 30. April 2010 in der Schatzkammer der Zentralbibliothek der Universitätsbibliothek Augsburg gezeigt (Universitätsstraße 22, 86159 Augsburg, Gebäude E auf dem Campusplan http://www.uni-augsburg.de/allgemeines/neueuni/). Sie ist von Montag bis Freitag jeweils zwischen 8.30 und 21.00 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei. Bei der Eröffnung der Ausstellung am Dienstag, dem 12. Januar 2010, um 18.00 Uhr referiert Wurst – im Anschluss an eine Einführung durch Hägele – zum Thema “Biblische und apokryphe Handschriften”.
Der Katalog zur Ausstellung mit dem Titel “novum opus ex veteri: Vom Judas-Evangelium zur Furtmeyr-Bibel – Biblische und apokryphe Texte aus Spätantike und Mittelalter” umfasst 84 Seiten mit über 40 hochwertigen Abbildungen. Neben dem von den Herausgebern Günter Hägele und Gregor Wurst verfassten Katalogteil bietet er eine Einleitung von Wurst sowie einen “Vetus Latina und Vulgata” betitelten Beitrag des Düsseldorfer Altphilologen Prof. Dr. Markus Stein. Der Katalog kann über die Universitätsbibliothek Augsburg bezogen werden (Universitätsbibliothek Augsburg, 86135 Augsburg oder dir@bibliothek.uni-augsburg.de). (Uni Augsburg)
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