19. April 2010, Aktuelles, Uni Freiburg

Unbekannte Proteinbausteine der GABAB-Rezeptoren identifiziert

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universitäten Freiburg und Basel berichten in der renommierten Wissenschaftszeitschrift „Nature“ von der Entdeckung bislang unbekannter Untereinheiten der GABAB-Rezeptoren im zentralen Nervensystem – GABAB-Rezeptoren sind Transmembran-proteine in Nervenzellen, die für die Funktion des Gehirns von fundamentaler Bedeutung, aber auch von großem therapeutischen und pharmazeutischen Nutzen sind. Den Forschern um Prof. Dr. Bernd Fakler vom Physiologischen Institut der Universität Freiburg und Center for Biological Signalling Studies BIOSS und Prof. Dr. Bernhard Bettler vom Departement Biomedizin der Universität Basel ist es gelungen, die Zusammensetzung von GABAB-Rezeptoren des Gehirns umfassend zu analysieren.
Dabei haben sie vier Mitglieder einer bislang uncharakterisierten Genfamilie, der so genannten KCTD-Proteine, als neue Bestandteile der GABAB-Rezeptorkomplexe identifiziert. Wie die Forscher zeigen konnten, bestimmen die KCTD-Proteine sowohl die pharmakologischen als auch die biophysikalischen Eigenschaften der GABAB-Rezeptoren. Unter anderem erklären die neu identifizierten Proteine, warum die bisher schon bekannten Untereinheiten die Eigenschaften der Hirnrezeptoren nicht reproduzieren konnten.

GABA (= γ-amino-butyric acid)-Rezeptoren sind die wichtigsten hemmenden Neurotransmitter-Rezeptoren des zentralen Nervensystems. Diese Rezeptoren verhindern, dass Nervenzellen zu stark aktiviert werden, was zu neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen, wie Krampfanfällen, Depressionen oder Angstzuständen führen kann. Bekannt sind zwei unterschiedliche GABA-Rezeptortypen, die GABAA- und GABAB-Rezeptoren. GABAA-Rezeptoren sind für die schnelle Hemmung im Gehirn verantwortlich und Angriffspunkt wichtiger Medikamente, wie etwa von Valium, das zur Behandlung von Angstzuständen, in der Therapie epileptischer Anfälle und als Schlafmittel eingesetzt wird. GABAB-Rezeptoren sind für eine länger andauernde Hemmung der Nervenzellen wichtig. Medikamente, die GABAB-Rezeptoren aktivieren, werden zur Behandlung von Rückenmarksverletzungen und Multipler Sklerose, sowie bei der Therapie von Suchterkrankungen und Narkolepsie eingesetzt.

Die jetzt in „Nature“ veröffentlichten Erkenntnisse könnten von großem therapeutischem Nutzen sein. Damit sollte es in Zukunft möglich sein, Medikamente zu entwickeln, die einen bestimmten Rezeptorsubtyp selektiv beeinflussen. Man erhofft sich von solchen Medikamenten sowohl weniger Nebenwirkungen als auch neue therapeutische Anwendungsmöglichkeiten.

Neben diesen speziellen Anwendungen ist die Arbeit der Freiburger und Basler Physiologen für die Pharmaindustrie aus einem weiteren Grund von großem Interesse. GABAB-Rezeptoren gehören zur Familie der G-Protein gekoppelten Rezeptoren (GPCRs), der größten und vielseitigsten Gruppe von Membranrezeptoren. In der Medizin nehmen GPCRs eine Schlüsselposition ein: Etwa 60 Prozent aller verschreibungspflichtigen Medikamente, die derzeit auf dem Markt sind, wirken auf diese Rezeptoren. Die Entdeckung, dass GPCRs komplexer aufgebaut sind und zusätzlich zu den Rezeptor-Proteinen noch weitere spezifische Untereinheiten enthalten, die deren Signaltransduktion entscheidend beeinflussen, könnte die Anzahl unterschiedlicher GPCRs, und damit möglicher Zielproteine für Arzneimittel, sprunghaft ansteigen lassen.

Veröffentlichung: Nature: Native GABAB receptors are heteromultimers with a family of auxiliary subunits.
Jochen Schwenk, Michaela Metz, Gerd Zolles, Rostislav Turecek, Thorsten Fritzius, Wolfgang Bildl, Etsuko Tarusawa, Akos Kulik, Andreas Unger, Klara Ivankova, Riad Seddik, Jim Y. Tiao, Mathieu Rajalu, Johana Trojanova, Volker Rohde, Martin Gassmann, Uwe Schulte, Bernd Fakler, Bernhard Bettler
Published online: 18. April 2010, doi:10.1038/nature08964 (Uni Freiburg)



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