Forschung nach der "Dunklen Energie"
Der 39-jährige Thomas Reiprich bekleidet an der Universität Bonn eine neu eingerichtete Heisenberg-Professur. Der Astrophysiker erforscht seit Jahren die rätselhafte “Dunkle Energie”. Laut Theorie ist sie das geheimnisvolle “Treibmittel” für die immer schnellere Ausdehnung des Universums. Diese Arbeiten will er in den nächsten fünf Jahren weiter intensivieren. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert die Professur mit voraussichtlich etwa 900.000 Euro.
Unser Universum dehnt sich aus – und das mit steigender Geschwindigkeit. Seit gut einem Jahrzehnt rätseln die Astrophysiker, warum das so ist. Denn eigentlich sollte sich diese Expansion wegen der gewaltigen Anziehungskraft der Milliarden von Galaxien mit der Zeit verlangsamen. Als Grund vermuten Astrophysiker daher eine geheimnisvolle “dunkle Energie”. Sie soll die Galaxien auseinander treiben.
Mit der dunklen Energie ist es wie mit der dunklen Materie: Die Physiker brauchen sie. Sie wissen aber bis heute nicht, woraus sie besteht oder wie viel es davon genau gibt. Professor Dr. Thomas Reiprich möchte vor allem den zweiten Teil dieser Frage beantworten: “Wir wollen die Menge dunkler Energie im Universum bestimmen – und die der dunklen Materie gleich dazu!”
Dazu untersuchen Reiprich und seine Mitarbeiter Ansammlungen von hundert bis einigen tausend Einzelgalaxien. Die ersten derartigen Galaxienhaufen entstanden einige Milliarden Jahre nach dem Urknall. Seitdem kommen laufend neue hinzu. Die bestehenden Haufen können zudem zusammenstoßen, miteinander verschmelzen und dadurch anwachsen.
Extraportion Hefe im Brötchenteig
Nun wirkt die dunkle Energie auf unser Weltall wie eine Extraportion Hefe auf den Brötchenteig: Sie beschleunigt die Expansion des Universums. Damit kommen sich Galaxien immer seltener nahe genug, dass sie sich zu einem Haufen zusammenballen könnten. Die dunkle Energie behindert also zunehmend die Bildung neuer Galaxie-Konglomerate. “Wir schauen nun gewissermaßen fünf Milliarden Jahre in die Vergangenheit und zählen dort die Galaxienhaufen”, sagt Reiprich. “Dann vergleichen wir ihre Zahl mit heutigen Werten. So können wir auf ihre Entstehungsgeschwindigkeit schließen – und damit auch auf die Menge dunkler Energie.”
Dazu setzt der gebürtige Rheinland-Pfälzer unter anderem auf die Satellitenmission eROSITA (extended ROentgen Survey with an Imaging Telescope Array). Ab Ende 2012 wollen Astrophysiker damit Objekte in vielen Milliarden Lichtjahren Entfernung beobachten. Es ist ein Blick in die Vergangenheit: Wenn die Röntgenstrahlung auf den Detektor von eROSITA auftrifft, hat sie bereits eine Reise von mehreren Milliarden Jahren hinter sich.
eROSITA soll 100.000 Galaxienhaufen untersuchen. Der immense Datenfundus soll auch Rückschlüsse auf die Menge dunkler Materie zulassen. Denn die bremst die Ausdehnung des Alls und erleichtert gleichzeitig das Wachstum von Galaxienhaufen, weil sie zusätzliche Masse (und damit Gravitationsanziehung) ins Spiel bringt.
Der Bonner Forscher will auch die astrophysikalischen Prozesse besser verstehen, die zur Bildung von Galaxienhaufen führen. Dazu untersucht er unter anderem die supermassereichen Schwarzen Löcher, die sich nach Beobachtungen im Zentrum der meisten derartigen Konglomerate befinden.
Die Heisenberg-Professur – die erste deutschlandweit im Bereich Astrophysik – bietet ihm die Chance, die Arbeiten auf diesen Gebieten weiter voran zu treiben. Nach fünf Jahren läuft die DFG-Förderung aus. Danach soll die Stelle in eine unbefristete Professur umgewandelt werden, die gänzlich aus Universitätsmitteln finanziert wird.
Crash von vielen Billiarden Sonnenmassen
Das Weltall interessiert Reiprich schon seit seiner Kindheit. Noch heute begeistern ihn die Dramen, die sich tagtäglich in unglaublicher Entfernung von der Erde abspielen. “Wenn zwei Galaxienhaufen miteinander verschmelzen, prallen Massen mit einem Gesamtgewicht von Billiarden Sonnenmassen und einer Geschwindigkeit von mehr als tausend Kilometern in der Sekunde aufeinander. Das sind die energiereichsten Prozesse, die das Universum nach dem Urknall gesehen hat.” (Uni Bonn)
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