11. Mai 2011, Uni Konstanz

Dr. Georg Maret erhält Zuschlag für Reinhart Koselleck-Projekt

Das Erdmagnetfeld ist für viele Tierarten ein entscheidendes Hilfsmittel zur Navigation – insbesondere Tauben orientieren sich auf ihren Flugstrecken anhand magnetischer Informationen. Nach wie vor ungeklärt ist jedoch die Frage, wie genau Tiere diese magnetischen Signale empfangen und im Gehirn verarbeiten. Zur systematischen Erforschung der Mechanismen der Magnetfeldwahrnehmung erhielt Prof. Dr. Georg Maret, Professor für Experimentalphysik an der Universität Konstanz, den Zuschlag für das Reinhart Koselleck-Projekt “Visualisierung der Antwort des Gehirns auf Magnetorezeption” mit einer Fördersumme von 1,25 Millionen Euro.

Die renommierten Koselleck-Projekte werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für innovative Wissenschaftsprojekte vergeben, die in positiver Hinsicht besonders risikobehaftet sind. Hintergrund der Koselleck-Projekte ist, herausragenden Forschern Freiräume für wissenschaftliche Pionierarbeit zu geben. “Das magnetische Orientierungsvermögen ist ein Forschungsthema, das mich schon seit langem interessierte, das sich im Rahmen von konventioneller Forschungsförderung jedoch nicht umsetzen ließ. Es freut mich daher ganz besonders, dass mir das Koselleck-Projekt nun die Freiräume gibt, um gemeinsam mit einem Team an jungen Wissenschaftlern neuen Forschungsideen nachzugehen”, erklärt Georg Maret.

“Jeder, der einmal eine Brieftaube in Aktion gesehen hat, weiß, wie fantastisch gut ihre Navigation funktioniert: Tauben fliegen über hunderte Kilometer hinweg punktgenau zu ihrem Taubenschlag zurück, ihre treffsichere Orientierung vollzieht sich binnen Sekunden — das ist ein faszinierendes Phänomen”, beschreibt Georg Maret sein angehendes
Forschungsfeld: “Uns geht es darum, aus physikalischer Sicht herauszufinden, wie verschiedene Lebewesen dazu in der Lage sind, das Erdmagnetfeld zur Navigation im freien Gelände zu benutzen.” Die physikalischen Vorgänge in den Körpern von magnetfeldsensiblen Tieren sind in der Wissenschaft trotz mehr als 30 Jahren Forschung unklar geblieben. Die gegenwärtige Forschung mutmaßt über winzige magnetische Kompassnadeln im Tierleib oder alternativ über magnetfeldabhängige Änderungen gewisser chemischer Reaktionen im Sehprozess. Georg Maret erhofft sich neue Einsichten durch Untersuchungen mittels der “Diffusing Wave Spectroscopy” — einer Methode, die Maret vor über 20 Jahren in Grenoble entwickelt hatte und seitdem zunehmend verfeinerte. “Mittels der ,Diffusing Wave Spectroscopy’ lässt sich die neuronale Aktivität einer Taube messen, indem ihr Gewebe mit einem infraroten Laserstrahl durchleuchtet wird”, erklärt Maret. Anhand der vielfachen komplexen Streuungen des Lichts in den Gewebeschichten lassen sich empfindlich kleinste Bewegungsvorgänge im Tierkörper interferometrisch nachweisen.
Von besonderem Interesse sind die Fragen, wo genau im Gehirn die Reaktion auf eine Magnetfeldrezeption lokalisiert ist und welche organischen oder mineralischen Materialien am Empfang der magnetischen Signale beteiligt sind. Maret will die mikroskopische Reaktion des Tierorganismus auf magnetische Impulse sichtbar machen: von magnetischen Teilchen im Taubenschnabel über rote Blutkörperchen in den Kapillaren bis hin zu Synapsenvorgängen im Gehirn. Ausgehend von der exakten Detektion, wo im Körper kleinste Bewegungen durch magnetische Einwirkungen entstehen, will Maret die Funktionsweise der magnetfeldbasierten Orientierung entschlüsseln.

Georg Maret ist der vierte Forscher an der Universität Konstanz, der die Zusage für ein Reinhart Koselleck-Projekt erhalten hat. Ein Koselleck-Projekt stellt eine besondere Auszeichnung für einen Wissenschaftler dar, schließlich dienen hier keine im Vorfeld schon absehbaren Erfolgsaussichten als Bürge für das Forschungsvorhaben, sondern einzig der Lebenslauf des Forschers und die Innovativität seines Projektes stehen als Garant der Förderungswürdigkeit für die DFG. Ein Koselleck-Projekt spiegelt somit ein besonderes Vertrauensverhältnis der DFG zu dem geförderten Forscher wider. Jüngst wurde Georg Maret von der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) und der Französischen Physikalischen Gesellschaft für seine Pionierarbeit in der Forschung mit dem deutsch-französischen “Gentner-Kastler-Preis” ausgezeichnet.

Der inderdisziplinäre Ansatz der Universität Konstanz spielt eine besondere Rolle in der Erforschung des magnetischen Spürsinns der Vögel und ihres Navigationsverhaltens. Georg Marets Arbeit zu den physikalischen Mechanismen der Magnetfelddetektion kombiniert sich hier mit der Feldforschung des Konstanzer Ornithologen Prof. Dr. Martin Wikelski, der die weltumspannenden Wanderbewegungen von Tieren und die Hintergründe dieser großen Tiermigrationen ergründet. (Uni Konstanz)



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