11. Mai 2011, Uni Greifswald

Zusammenhänge zwischen biografischen Ereignissen und Gesundheit

Wissenschaftler der Universität Greifswald konnten einen Zusammenhang zwischen Lebensereignissen und der psychischen und körperlichen Gesundheit älterer Menschen nachweisen. In einem weiteren Schritt soll nun untersucht werden, wie die gezielte Aufarbeitung der eigenen Biografie sich gesundheitsfördernd auswirkt. Das Forschungsprojekt wird im Rahmen des Forschungsverbundes LUCAS realisiert. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Teilprojekt mit ca. 340.000 €. Es wird von Prof. Dr. Silke Schmidt, Lehrstuhl Gesundheit und Prävention an der Universität Greifswald, geleitet.

In Befragungen während der ersten Förderphase des Projektes LUCAS (Longitudinal Urban Cohort Aging Study) wurde in einer kontrollierten Kohortenstudie nachgewiesen, dass vielfältige Zusammenhänge zwischen biografischen Ereignissen und der körperlichen und psychischen Gesundheit bestehen. Hierbei wurde erstmals der Einfluss von Vertreibungserfahrungen während des 2. Weltkrieges in einer Stichprobe systematisch untersucht. Auch heute noch lassen sich psychische und körperliche Beschwerden auf biographische Erlebnisse zurückführen. Hierbei kommt der Depression sowie der traumatischen Belastungssymptomatik bei Vertriebenen eine zentrale Rolle zu. Hinsichtlich gesundheitsförderlicher Faktoren, wie z.B. Lebensqualität, wurden hingegen keine Unterschiede zwischen älteren Menschen mit und ohne Vertreibungserfahrung gefunden. Ältere Erwachsene zeigen ein starkes Bedürfnis nach autobiografischer Erzählung, besonders dann, wenn sich der Alltag stark verändert, körperliche und geistige Beschwerden zunehmen und soziale Kontakte aus dem Berufsleben und in der Familie verloren gehen. In solchen Situationen erinnern sich viele Betroffene verstärkt an schwere Lebensereignisse aus der Kindheit.

In der zweiten Förderphase des LUCAS-Verbundes soll nun in einem Teilprojekt mit dem Titel Prävention von Gebrechlichkeit (frailty) im Alter mittels autobiographischer Erzählung, (kurz Biographie) eine professionelle Intervention für ältere Menschen angeboten werden. Die Studie ist als kontrollierte Interventionsstudie konzipiert. Es wird erwartet, dass das Schreiben und Mitteilen der eigenen Biografie positive Auswirkungen auf die körperliche und psychische Gesundheit älterer Menschen hat. In dem Projekt sollen mit den Betroffenen die individuellen Biografien aufgearbeitet werden. Ziel ist es, die Gesundheit im Alter aufrecht zu erhalten und zu fördern.

Das autobiografische Erzählen beinhaltet sowohl strukturiertes, über Themen angeleitetes als auch freies Schreiben ohne inhaltliche Vorgaben. Die Interventionsmodule bieten einerseits die schriftliche Aufarbeitung der Biografie über Schreibtagebücher, andererseits erfolgt eine mündliche Bearbeitung von Biografien in Gruppensitzungen. Durch die unterschiedlichen Herangehensweisen in dieser Studie soll herausgefunden werden, welche Art der Biografiearbeit sich günstig auf die Gesundheit auswirkt. So kann beispielsweise untersucht werden, ob es besser ist, sich über die eigene Biografie zu unterhalten oder darüber zu schreiben.

Die Intervention wird in zwei Studienzentren, in Greifswald und Hamburg durchgeführt. So kann untersucht werden, inwieweit sich die Biografien in den alten und neuen Bundesländern unterscheiden.

Die Untersuchung richtet sich an Teilnehmer im Alter von 75 Jahren und älter. In das Forschungsprojekt werden Personen der Hamburger Längsschnittstudie sowie Personen, die über Seniorenorganisationen und Hausärzte rekrutiert werden, einbezogen.

Der LUCAS Verbund ist ein interdisziplinärer Forschungsverbund und wird im Rahmen des Förderprogramms „Gesundheit im Alter“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Der Verbund wird vom Albertinenhaus in Hamburg geleitet und beinhaltet im Kern eine Kohortenstudie (Längsschnittstudie) zur Gesundheit im Alter. Dabei werden Fragestellungen zur Gesundheit älterer Menschen, Gesundheitsförderung, der Vermeidung von Stürzen, Mobilität im Alter, Fragen zu Medikamenteneinnahmen, Ernährungsbiografie und den prädiktiven Faktoren von Gebrechlichkeit im Alter untersucht.

Das Forschungsteam des Teilprojekts 4 in LUCAS II hat seine Arbeit am 1. April 2011 in Greifswald aufgenommen. Koordiniert wird das Projekt von Prof. Dr. Silke Schmidt, Lehrstuhl Gesundheit und Prävention an der Universität Greifswald. Für die Studiendurchführung ist Dipl.-Psych. Simone Freitag verantwortlich. (Uni Greifswald)



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