6. Dezember 2011, Uni Hohenheim

Verbesserung der Ergebnisse von Conjoint-Analysen

Leider daneben: So erging es bislang vielen Unternehmen, die versuchten, die Wünsche ihrer Kunden vorherzusehen. Ein in der Praxis weit verbreitetes Verfahren dazu ist zum Beispiel die Conjoint-Analyse – doch die war nur zu 55 bis 60 Prozent zuverlässig. Prof. Dr. Markus Voeth, Inhaber des Lehrstuhls für Marketing I der Universität Hohenheim, sah „Luft nach oben“. Vier Jahre lang untersuchte er mit seinem Team von Wissenschaftlern der Universitäten Hohenheim und Tübingen, welche Effekte das Ergebnis der Conjoint-Analyse verzerren. Nun lässt sich die Zuverlässigkeit des Marketing-Instruments um bis zu 20 Prozent steigern. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat sein Forschungsprojekt „Conjoint-Validitätssteigerung“ mit rund 130.000 Euro gefördert. Damit gehört es zu den Schwergewichten der Forschung an der Universität Hohenheim.

Electro-Bike A mit einer Reichweite von 40 km und einem Batteriegewicht von 3 kg für 699 €? Oder doch lieber Electro-Bike B mit einer Reichweite von 30 km und einem Batteriegewicht von 2,5 kg für 599 Euro? Die Conjoint-Analyse will herausbekommen, wie ein Produkt gestaltet werden muss, um Kundenwünsche genau zu treffen.

Dazu bekommen Versuchspersonen auf einem Computerbildschirm ein Produkt in verschiedenen Varianten vorgestellt, die sie beurteilen sollen. Bei der in der Praxis am weitesten verbreiteten Variante der Choice Based Conjoint-Analyse (CBCA) müssen die Versuchspersonen mehrfach Wahlentscheidungen zwischen z.B. drei oder vier Produktalternativen treffen. Aus den Ergebnissen der Testpersonen berechnet die Conjoint-Analyse, welchen Stellenwert die einzelnen Produkteigenschaften und ihre verschiedenen Varianten bei den Versuchspersonen haben.

An sich ein einleuchtendes Verfahren. Aber die Erfahrung zeigt: Unternehmen, die ihre Produkte nach diesem Verfahren gestalten, liegen nur zu 55 bis 60 Prozent richtig, da das Verfahren nicht in der Lage ist, die Bedeutung der Produktmerkmale völlig korrekt zu ermitteln.

„Viele Jahre lang hat man sich darauf konzentriert, immer neue Methoden zu entwickeln, um die Präferenzen der Kunden besser in Erfahrung bringen zu können“, sagt Prof. Dr. Voeth. „Wir haben uns bei unserer Forschungsarbeit nun aber darauf konzentriert, bestehende Verfahren zu verbessern.“ Die Choice Based Conjoint-Analyse nahmen die Wissenschaftler deshalb genauer unter die Lupe, da diese in Praxis und Wissenschaft die größte Verbreitung aufweist.

Reihenfolge-Effekte verzerren die Prognose
Als Ursache für die Ungenauigkeit vermuteten Prof. Dr. Voeth und sein Team vor allem sogenannte Reihenfolge-Effekte. Um sie genauer zu untersuchen, setzte der Marketing-Professor das Marktforschungslabor ein, das ihm die Universität 2006 eingerichtet hatte.

Mit Eyetracking-Geräten, die Augenbewegungen der Testpersonen analysieren, untersuchten die Marketing-Experten, wie die Blicke der Probanden über die einzelnen Produktalternativen huschten. Das Ergebnis: Neben den bereits erforschten Reihenfolge-Effekten existiert ein weiterer Effekt, mit dessen Beseitigung die Genauigkeit der Conjoint-Analyse deutlich gesteigert werden kann.

Der Card Order Effect
„Altbekannt sind bei Reihenfolge-Effekten der sogenannte Attribute Order Effect (AOE) und der Choice Set Order Effect (CSOE). Der AOE besagt, dass eine Versuchsperson immer denjenigen Angaben bei einer Produktalternative am meisten Beachtung schenkt, die oben stehen. Und der CSOE drückt aus, dass die Versuchsperson bei den ersten Wahlentscheidungen aufmerksamer als bei den letzten ist “, erklärt Prof. Dr. Voeth.

Bislang kaum untersucht worden sei hingegen der Card Order Effect (COE). „Wenn einem Probanden ein Set mit mehreren Produktalternativen vorgelegt wird, dann neigt der Proband dazu, die links liegende Produktalternative länger zu betrachten und mit größerer Wahrscheinlichkeit auszuwählen“, erklärt Victoria Bertels, die als Doktorandin die empirischen Untersuchungen im Marktforschungslabor des Lehrstuhls durchgeführt hat. „Wenn wir diesen Effekt herausrechnen, können wir die Validität der Conjoint-Analyse um bis zu 20 Prozent steigern.“

Eine Erkenntnis, die für die Marketing- und Marktforschungspraxis hoch relevant ist: Gelingt es den Nutzen von Produktmerkmalen genauer zu ermitteln, können beispielsweise Produktinnovationen stärker an den Kundenpräferenzen ausgerichtet werden. Dies führt u.a. zu einem geringeren Floprisiko bei Innovationen.

Hintergrund: Schwergewichte der Forschung
Fast 31 Mio. Euro an Drittmitteln akquirierten Forscher der Universität Hohenheim im vergangenen Jahr. In loser Folge präsentiert die Reihe „Schwergewichte der Forschung“ herausragende Forschungsprojekte mit einem Drittmittelvolumen von mindestens einer viertel Million Euro bzw. 125.000 Euro in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. (Uni Hohenheim)



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