17. April 2012, Uni Jena

Gefälschte Identitäten – internationale Tagung an der Uni Jena

Im Film „Catch Me If You Can“ (2002) spielt Leonardo DiCaprio die Rolle des Hochstaplers Frank Abagnale. Dieser hatte sich mehrere Jahre erfolgreich, d. h. für sein soziales Umfeld glaubwürdig erscheinend, als Flugzeugkapitän und Chirurg ausgegeben.

Um spektakuläre Geschichten wie diese soll es vom 24. bis 26. April bei einer internationalen Tagung des Instituts für Anglistik/Amerikanistik der Friedrich-Schiller-Universität Jena gehen. Das vom Generalkonsulat Leipzig und der Gesellschaft für Kanada-Studien unterstützte Symposium rangiert unter dem Spannung verheißenden Titel „Fake Identities? Impostors, ConMen, Wannabes in North American Culture“ und widmet sich der kulturwissenschaftlichen Frage nach Identitätskonstruktionen. Im Mittelpunkt werden prominente Beispiele dafür stehen, wie gefälschte Identitäten funktionieren und wie diese in Film und Literatur (weiter)erzählt werden.

Die Organisatorinnen Prof. Dr. Caroline Rosenthal und Dr. Stefanie Schäfer sind stolz, mit Dr. Laura Browder von der University of Richmond (USA) und Drew Hayden Taylor aus Ontario (Kanada) zwei renommierte nordamerikanische Gäste gewonnen zu haben. Laura Browder wird im Hauptvortrag über den Hochstapler Asa Carter sprechen, der zunächst Mitglied des Ku-Klux-Klans war, später aber unter dem Pseudonym Forrest Carter Bücher schrieb, in denen er vorgab, indianischer Abstammung zu sein. Der kanadische indigene Schriftsteller und Dramatiker Drew Hayden Taylor wird am 25. April, 18 Uhr im Rahmen des Symposiums im Uni-Hauptgebäude (Seminarraum 235) aus seinem Werk lesen. Zur humoristischen Lesung über Vorstellungen und Realitäten indianischer Identität sind Interessierte herzlich eingeladen. Mit seinem Besuch wird die kanadistische Tradition innerhalb der Jenaer Nordamerikastudien fortgeführt, die dem Lehrstuhl für Amerikanistik am Herzen liegt.

„Identität“, sagt Prof. Rosenthal, „ist immer etwas Konstruiertes; etwas Gemachtes. Identität ist nichts, das man findet und behält, sondern etwas, an dem wir alle immer arbeiten müssen. Die Frage ist nun: Was unterscheidet wahre und gefälschte Identität?“ Hochstapler, Schwindler, Möchtegerne: Was macht ihre gefälschte Identität für andere glaubwürdig? Und was sagt die geglückte Identitätslüge über die Gesellschaft? Der eingangs erwähnte Frank Abagnale, der über keinerlei Berufsausbildung verfügte, versicherte sich nur durch Habitus und Auftreten als Pilot oder Arzt der Anerkennung seines Umfelds. „Die CIA stellte ihn nach seiner Verhaftung sogar an, um Betrüger zu finden“, pointiert Rosenthal.

Gefälschte Identitäten finden sich auf verschiedenen Ebenen. Es gibt solche, wie die von Abagnale, die vom Streben nach Prestige und Geld bestimmt sind. Eine weitere Form der Identitätsfälschung, erklärt Dr. Stefanie Schäfer, betrifft die Kategorien Geschlecht, Rasse oder kulturelle Identität, wie im Falle des Briten Archibald Belaney, der sich unter dem Namen „Grey Owl“ – Graue Eule – als Indianer ausgegeben hat. Mit 19 Jahren ging Belaney nach Kanada, um als Grey Owl unter Indianern zu leben. Weil er auf die Weißen „authentischer als ein echter Indianer“ wirkte, erklärt Prof. Rosenthal, wurde er in den 1930er Jahren sogar nach England eingeladen. Erst nach seinem Tod sei alles herausgekommen – zur großen Empörung seiner englischen Landsmänner. Grey Owls Beispiel zeigt nicht zuletzt, dass die Erwartung einer „echten“ Identität kulturell spezifisch ist, denn die Angehörigen der First Nations, die Belaney so erfolgreich imitierte, fanden die gefälscht Graue Eule wenig skandalös. (Uni Jena)



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