Buchtipp: Alexandra Schotte schreibt über Johannes Trüper
Über der Stadt Jena thronte einst ein kleines Schlösschen – die „Sophienhöhe“. Im Jahr 1887 als Sanatorium errichtet, zog dort fünf Jahre später die „Anstalt für entwicklungsgeschädigte und -gestörte Kinder“ ein. Das Heim entwickelte sich binnen weniger Jahre zu einem Mekka der modernen Heilpädagogik. Der Direktor des Instituts war der Bremer Volksschullehrer Johannes Trüper (1855 bis 1921), der nach Jena gekommen war, um in der von Wilhelm Rein geleiteten Übungsschule zu lernen, die auch sein weiteres Wirken als Pädagoge stark prägte.
Trüper und seinem Werk widmet sich die Erziehungswissenschaftlerin Alexandra Schotte von der Universität Jena in der neu erschienenen kritischen Biographie „Heilpädagogik als Sozialpädagogik. Johannes Trüper und die Sophienhöhe bei Jena“. In ihrer umfassenden Forschungsarbeit führt sie bisher unberücksichtigte Archivbestände und sämtliche Primärschriften sowie theoretische Schriften aus verschiedenen Bereichen der Pädagogik zusammen. „Wenn es um Trüper geht, wurden in den letzten Jahren fast ausschließlich Sekundärquellen herangezogen“, erklärt die Autorin. „Um ihn aber wieder in aktuelle Diskussionen einbeziehen zu können, bedarf es eines wesentlich breiteren Zugangs.“
1887 zu Studienzwecken nach Jena gekommen, entwickelte Trüper einen Heilerziehungsplan, in dem der Bildungsgedanke einen zentralen Stellenwert erhielt. Ihn setzte er schon 1890 in praktische heilpädagogische Arbeit um, die er mit der Eröffnung einer bescheidenen „Anstalt für schwer erziehbare Kinder“ begann und zwei Jahre später auf die „Sophienhöhe“ verlagerte. Mit der Gründung der Zeitschrift „Die Kinderfehler“ sowie dem „Verein für Kinderforschung“ legte er die Grundlagen für einen interdisziplinären und internationalen Wissenschaftsaustausch zwischen Pädagogen, Medizinern, Psychologen und Praktikern. Der von ihm initiierte Diskurs zur Heilpädagogik und ein bis dahin beispielloser „Wissenschafts-Tourismus“ ließen Jena ab 1900 bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges zu einem international bedeutenden Zentrum der Heilpädagogik werden.
Ein Schwerpunkt in Schottes Buch liegt in der Heimpraxis. Besucht wurde die Anstalt von Kindern und Jugendlichen, die als bildungsfähig eingestuft wurden, aber durch Verhaltensanomalien bzw. körperliche oder geistige Schädigungen Schwierigkeiten hatten, eine normale Schule zu besuchen. Da ungewöhnlich viel Personal für die Betreuung der Kinder zur Verfügung stand, waren auch die Kosten besonders hoch. Diese erlaubten es nur höheren Gesellschaftskreisen, die Trüpersche Heilpflege in Anspruch zu nehmen.
Die Autorin macht in diesem Zusammenhang jedoch darauf aufmerksam, dass es gerade für diese Klientel keine entsprechenden Einrichtungen gab und Trüpers Heilpädagogik somit eine besondere Form der Sozialfürsorge repräsentiert. Unter den Mitarbeitern auf der „Sophienhöhe“ finden sich prominente Namen wie Paul Geheeb – der Begründer der Odenwaldschule – und Hermann Lietz, die später die Reformpädagogik der Jahrhundertwende prägten.
Seinen hohen Heimstandard konnte Trüper jedoch während des 1. Weltkrieges nicht mehr halten. Alexandra Schotte beschreibt in ihrem Buch ausführlich, wie er sein Werk nach dem Ende des Kaiserreiches zu retten versuchte, und wie sein Vermächtnis im Umfeld neuer reformpädagogischer Ansätze in der Zeit der Weimarer Republik wieder an Bedeutung gewann.
Bibliographische Angaben:
Alexandra Schotte: „Heilpädagogik als Sozialpädagogik. Johannes Trüper und die Sophienhöhe bei Jena.“ Verlag IKS Garamond, Jena 2010, 487 Seiten, Preis: 49,90 Euro, ISBN: 978-941854-11-6
(Uni Jena)
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