9. Mai 2011, TU Cottbus

Archivfund zum Nachlass des Wissenschaftlers Paul Schröder

Im Kontext der Erarbeitung eines Denkmalpflege-Managementplans für das Gelände der ehemaligen Heeresversuchsanstalt in Peenemünde ist Uta Mense, akademische Mitarbeiterin am Lehrstuhl Denkmalpflege der BTU Cottbus, ein beachtlicher Archivfund gelungen: Es handelt sich dabei um den bislang noch nicht zur Kenntnis genommenen Nachlass des Wissenschaftlers Paul Schröder, der in den Anfangsjahren der Heeresversuchsanstalt neben Wernher von Braun als einer von vier Abteilungsleitern maßgeblich an der Entwicklung der V2-Raketenwaffe beteiligt war und der in den 1950er Jahren in den USA als vehementer Kritiker von Wernher von Braun auf sich aufmerksam zu machen versuchte. Damit ist Dr. Paul Schröder bis heute eine der wenigen Personen, die frühzeitig Kritik an der Führungsrolle von Brauns in der Raketenentwicklung übten, obwohl er selbst Mitarbeiter der Heeresversuchsanstalt war.

Das Besondere an diesem Nachlass ist, dass er neue Einblicke in die Anfänge der Raketenentwicklung in Peenemünde gibt. Denn anders als die jungen Gefolgsmänner von Wernher von Braun hat er seine Darstellung der Waffenentwicklung nicht für die breite Öffentlichkeit und zum Zwecke der nachträglichen Rechtfertigung und Verklärung des eigenen Handels geschrieben. Dr. Paul Schröder wollte vielmehr die US-Behörden auf diverse Inkompetenzen des ehemaligen Technischen Direktors Wernher von Braun aus Peenemünde aufmerksam machen, weil seiner Ansicht nach die Weiterentwicklung der Raketentechnologie in den USA behindert wurde. Sowohl Wernher von Braun als auch Paul Schröder arbeiteten nach dem Zweiten Weltkrieg in den USA – Wernher von Braun schon ab 1945, erst im Rahmen der Operation Paperclip in Fort Bliss als „Kriegsgefangener“, ab 1950 dann für die US Army im Marshall Space Flight Center in Huntsville, wo er zum Direktor ernannt wurde. Paul Schröder kam erst 1952 in die USA und arbeitete dort einige Jahre für die US Air Force; danach wechselte er in die Industrie und kehrte 1958 nach Deutschland zurück.

Im Widerspruch zu der bisherigen Darstellung in der Literatur, wonach Wernher von Braun die V2-Rakete entwickelt habe, weist der Autor dieser neuen Dokumente – ohne die genauere Erforschung vorschnell vorweg nehmen zu wollen – darauf hin, dass Wernher von Braun nach eigenen Misserfolgen bis zur Fertigstellung der Rakete A4 – die als V2 bekannt wurde – von jeglicher Planung ausgeschlossen war.

Des Weiteren beinhaltet der Nachlass die Korrespondenzen der Witwe Paul Schröders mit verschiedenen ehemaligen Beteiligten der Heeresversuchsanstalt. Hieraus geht deutlich hervor, dass es in seiner Zeit durchaus mehr Mitarbeiter mit einer kritischen Einstellung gegenüber ihrem ehemaligen Vorgesetzten aus Peenemünde, Wernher von Braun, gegeben hat.

Die eingehende Analyse und Einordnung der Person Paul Schröder sowie seines entdeckten Nachlasses wird längere Zeit in Anspruch nehmen. Eine Kurzvorstellung ist jedoch anlässlich der Veranstaltung „20 Jahre Museumsstandort Peenemünde – Bilanz und Ausblick“ für den 27. Mai 2011 an der Universität Greifswald vorgesehen.

Die Forschungen von Uta Mense sind Teil eines interdisziplinären Projektes, in dem der Lehrstuhl der BTU die nach dem Krieg weitgehend zerstörten Anlagen der ehem. Heeresversuchsanstalt dokumentiert, erforscht und bewertet sowie neue Vermittlungskonzepte der für das Historisch-Technische Museum Peenemünde entwickelt. (TU Cottbus)



» Diesen Artikel via Mail weiterempfehlen





Schreiben Sie einen Kommentar »



Das könnte Sie auch interessieren:

Gedenkmedaille der TU Liberec für Prof. Dr. Heinrich-Theodor Vierhaus

Am 29. Oktober 2013 erhält Prof. Dr. Heinrich-Theodor Vierhaus, Lehrstuhl Technische Informatik der BTU Cottbus–Senftenberg die Gedenkmedaille der Technischen Universität Liberec in Tschechien. Damit würdigt sie die Verdienste von Professor Vierhaus um die internationale Zusammenarbeit zwischen der BTU und den…

Walther Ch. Zimmerli zum Associate Fellow des Collegium Helveticum ernannt

Nachdem Prof. Walther Ch. Zimmerli bereits im März 2013 zum Fellow der World Academy of Arts and Sciences gewählt worden war, ist er nun auch zum Associate Fellow des Collegium Helveticum ernannt worden. Das Collegium Helveticum wurde 1997 von der…

Patent für Elektroabscheider

Am Lehrstuhl Mechanische Verfahrenstechnik von Prof. Dr. Ulrich Riebel entstand schon vor drei Jahren ein Patent für einen neuartigen Typ von Elektroabscheider für die Abgasreinigung. Auf der Basis dieses Patents für ARA („Autogene raumladungsgetriebene Abscheidung“) wurde jetzt von Prof. Riebel…

Körperliche Belastung von Sportlern bei extremer Temperaturveränderung

Die Antwort auf die Frage, wie der menschliche Körper auf die Belastung während eines Marathonlaufs bei gleichzeitiger, extremer Temperaturveränderung reagiert, erhielten die Sportmediziner PD Dr. med. Beat Knechtle und Cand. Med. Christoph Rüst von der Abteilung für Sportmedizin des Instituts…

Projekt zur Druckaufgeladenen Dampfwirbelschicht-Trocknung von Braunkohlen

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) und fünf Industriepartner fördern mit 1,9 Mio. € ein Projekt zur Weiterentwicklung der Druckaufgeladenen Dampfwirbelschicht-Trocknung von Braunkohlen (DDWT) an der BTU Cottbus. Mit dieser Förderung können vier akademische Mitarbeiter und zwei Techniker für…

Weitere Beiträge zum Thema: