10. Februar 2010, Uni Bielefeld

Deutsch-italienische Konferenz zur deutschsprachigen Literatur der 1950er Jahre

Ist das Jahr 1959 ein ‘Wendejahr’ in der deutschen Literatur der Nachkriegszeit – und wenn ja, inwiefern? Um diese Frage geht es auf einer Konferenz im Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld, die die Literaturwissenschaftler Dr. Matthias N. Lorenz (Bielefeld) und Dr. Maurizio Pirro (Bari) veranstalten. Die Veranstaltung beginnt am Montag, dem 22. Februar um 9.30 Uhr, und endet am Mittwoch, dem 24. Februar um 12.15 Uhr.

Kanonische Periodisierungen der deutschen Literatur der Nachkriegszeit sprechen dem Jahr 1959 einen entscheidenden Schwellencharakter zu. Die vielfach beschworene Erwartung eines literarischen Neuanfanges, die in der geläufigen Metaphorik von ‘Stunde Null’ und ‘Kahlschlag’ einen besonders prägnanten Ausdruck fand, sei danach insbesondere durch Schriftsteller wie Günter Grass, Uwe Johnson oder Heinrich Böll erfüllt worden – Autoren, die von Berührungen mit der nationalsozialistischen Kulturpolitik verschont geblieben seien. Der so postulierte Schwellencharakter des Jahres 1959 ist ein wirkmächtiges Klischee, das sich durch zahlreiche literarhistorische Darstellungen zieht – sind doch die 1950er Jahre insgesamt eine Epoche, die im Rückblick von zahlreichen Klischees bestimmt scheint.

Neuere geschichtswissenschaftliche Forschungen präsentieren dieses Jahrzehnt dagegen als ein komplexes Ineinander divergierender Tendenzen: Es hatte durchaus Laborcharakter und ist retrospektiv auch als Phase der ’Modernisierung im Wiederaufbau’ zu betrachten, ohne dass dadurch der tradierte Blick auf diese Zeit als Epoche problematischer Kontinuität und muffiger Restauration gänzlich an Plausibilität verlöre.

Vor diesem Hintergrund lässt sich auch das Konstrukt eines ‘Romanjahres’ 1959 befragen: Markiert es das Ende der Nachkriegszeit? Oder ist die (Selbst-)Inszenierung von zwei oder drei wichtigen Romanen des Jahres 1959 als eine Zäsur durch Zeitgenossen und westdeutsche Literaturgeschichtsschreibung nicht gerade Ausdruck eben jener Schlussstrichmentalität, die sich in jedem Postulat des vermeintlich geschichtslosen Neuanfangs nach 1945 (‘Stunde Null’, ‘Junge Generation’…) äußerte? In intensiver Bearbeitung ausgewählter Werke und Querschnittsthemen soll die Tagung zum ‘WendeJahr 1959′ zu einem differenzierteren Bild der Literatur der 50er Jahre jenseits bloßer Schlagworte kommen. Erst im Zusammenspiel der verschiedenen
literarischen und politischen Positionsbestimmungen werden die mitunter unerwarteten Berührungspunkte zwischen den vermeintlich fest definierten Generationen und Gruppen erkennbar. Die dezidiert deutsch-italienische Perspektive der Konferenz wird dabei nicht nur durch Parallelitäten in der sozialen und kulturgeschichtlichen Verarbeitung einer totalitären Vergangenheit legitimiert, sondern durch rege rezeptive Vorgänge, die der BRDund der DDR-Literatur in der italienischen Leselandschaft der 50er Jahre eine sehr prominente
Position zukommen lassen. (Uni Bielefeld)



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