2. Juli 2010, Aktuelles, Uni Greifswald

Croy-Fest zu Ehren der letzten Pommernprinzessin

Mit dem 30. Croy-Fest gedenkt die Universität Greifswald am 7. Juli 2010 Anna von Croy (1590 – 1660), der letzten Prinzessin aus dem Haus der Pommernherzöge. Diese Gedenkfeier geht auf ein Vermächtnis von Ernst Bogislaw von Croy, des Sohnes der Prinzessin zurück. Er stiftete der Universität unter anderen Stücken eine kostbare Tapisserie, den sogenannten Croy-Teppich, und verband damit die Auflage für die Universität alle zehn Jahre seiner Mutter zu gedenken.

Diese Gedenkfeier findet am 7. Juli, dem Todestag von Anna von Croy, um 14.00 Uhr im Pommerschen Landesmuseum statt.

Von 17:00 bis 22:00 Uhr können die Bevölkerung und die Gäste der Stadt den wertvollen Croy-Teppich bei freiem Eintritt im Pommerschen Landesmuseum besichtigen. Ebendort präsentieren um 19:00 Uhr Schüler und Lehrer des Humboldt-Gymnasiums zusammen mit Studierenden und Lehrkräften der Universität in Wort, Spiel, Bild und Musik die Erlebnisse des pommerschen Fürstensohns Philipp Julius auf seiner Europa-Tour 1602 – 1603. Erstmals wird das im Pommerschen Landesarchiv lagernde Reisetagebuch in ausführlichen Textpassagen der Öffentlichkeit vorgestellt. Im Foyer des Museums werden außerdem originale Dokumente rund um das Croy-Fest aus dem 17. und 18. Jahrhundert sowie ein Aquarell des Croy-Teppichs von 1820, angefertigt von Hermann von der Lancken (1806 – 1838) gezeigt. Studentische Mitarbeiter der Kustodie der Universität beantworten gern die Fragen der Besucher.

Die Universität fühlt sich auch heute noch der Tradition der Croy-Gedenkfeiern verpflichtet. Sie möchte damit ihre Verwurzelung in der Region bekräftigen. „Das Croy-Fest gehört zur Traditionspflege unserer alten Universität. Durch dieses hebt sich unsere Universität von anderen Universitäten ab und aus der Masse der deutschen Universitäten heraus. Nicht zuletzt ist der Croy-Teppich ein herausragendes Kunstwerk“, so Professor Dr. Michael North, Historiker und Prorektor der Universität Greifswald.

Das Croy-Fest
Am 7. Juli 1660, d. h. genau vor 350 Jahren, starb Anna von Croy, das elfte und jüngste Kind von Herzog Bogislaw XIII. von Pommern. Während mit ihrem Bruder Bogislaw XIV. bereits 1637 das Greifenhaus in männlicher Linie erloschen war, folgte mit Anna die letzte weibliche Angehörige des Geschlechts ins Grab.

Die 1681 von ihrem Sohn Ernst Bogislaw von Croy begründete Stiftung hat nur einen einzigen Stiftungszweck, nämlich alle zehn Jahre seiner Mutter an ihrem Todestag zu gedenken. Hierzu hinterlegte er eine Geldsumme bei der Stadt Stralsund, deren Zinsen nach zehn Jahren 100 Reichstaler betragen und für die Gedenkfeier verwendet werden sollten.

Damit die Universität umso mehr bereit sein möge, eine würdige Erinnerung an seine Mutter zu begehen, stiftete er zusätzlich vier weitere kostbare Stücke aus seinem Besitz, darunter den Croy-Teppich. Damit war die Verpflichtung verbunden, den Teppich alle zehn Jahre bei dem Festakt in Auditorium aufzuhängen. Somit waren Erinnerung und Repräsentation eng miteinander verknüpft.

Der Croy-Teppich
Der „Teppich mit den Sächsisch und Pomerischen Herren, auch Lutheri und anderer Gelahreten Conterfey“, kurz Croy-Teppich genannt, ist das wertvollste Kunstwerk in der Akademischen Kunstsammlung der Universität Greifswald.

Seit fünf Jahren befindet sich der im Auftrage von Herzog Philipp I. von Pommern-Wolgast (1515 – 1560) um 1554 angefertigte Wandteppich als Leihgabe im Pommerschen Landesmuseum.

Auf einer Höhe von 4,46 m und einer Breite von 6,90 m präsentieren sich 23 Personen lebensgroß, unter ihnen die drei Reformatoren Martin Luther, Philipp Melanchthon und Johannes Bugenhagen. Das auch als Reformationsteppich von Pommern bekannte Bildwerk zeigt sächsische Kurfürsten und pommersche Herzöge mit ihren Familien. Die Versammlung von selbstbewussten Renaissancefürsten unter dem Gekreuzigten und unter der Kanzel ist nicht nur ein konfessionelles Bekenntnis zum evangelischen Glauben. Der Protestantismus als landesherrliche Institution konnte durch das entscheidende Mitwirken der „weltlichen Reformatoren“ wie Johann Friedrich des Großmütigen in Sachsen und durch Philipp I. in Pommern verwirklicht werden. Beide sind exponiert auf dem Teppich dargestellt, seitlich über ihnen flankiert vom sächsischen und pommerschen Wappen.

Der Croy-Teppich zählt heute zu den kostbarsten Tapisserien aus dem Umkreis protestantischer Höfe. Als vorwiegend höfische Domäne war die Teppichwirkerei im 16. Jahrhundert sehr kostspielig, nicht nur die Technik, sondern auch die Herstellung teurer Materialien, wie Seide, Gold- und Silberlahn. Der wahrscheinlich aus Brüssel stammende Wirker Peter Heymans hat sie reichhaltig eingesetzt in den wichtigsten Partien des Teppichs: den Porträts und Renaissancekleidern der Fürstlichkeiten. Als künstlerische Vorlagen der Porträts dienten teilweise Bildnisse von Albrecht Dürer (1471 – 1528) und Lucas Cranach d. Ä. (1472 – 1553). Das Bildkonzept geht auf die Cranach-Werkstatt zurück.

Der Croy-Teppich im Pommerschen Landesmuseum
Seit 2005 wird der Croy-Teppich im Pommerschen Landesmuseum präsentiert. Es ist das wertvollste einer ganzen Reihe von Exponaten, die die Universität Greifswald als ihren Beitrag zur Nutzung in die Stiftung Pommersches Landesmuseum Greifswald eingebracht hat.

Für die Tapisserie wurde ein ganzer Saal geschaffen. Nur in diesem Fall durchbricht die Architektur des Museums den vorhandenen Baubestand des ehrwürdigen „Grauen Klosters“ in nennenswerter Weise und unterstreicht damit auch die Bedeutung des Werkes.

„Konservatorische Vorgaben erfordern eine zurückhaltende Beleuchtung ohne Tageslicht. Nur so können die noch erstaunlich kräftigen Farben der Nachwelt erhalten bleiben. Zudem lässt die akzentuierte Beleuchtung das Funkeln der Edelmetallfäden besonders zur Geltung kommen. Nicht zuletzt entstand so der Eindruck eines nur mit Kerzenlicht beleuchteten Raumes“, das erklärt Dr. Stefan Fassbinder vom Pommerschen Landesmuseum Greifswald.

So wird nun auf neue Weise das Vermächtnis Ernst Bogislaws von Croy, mindestens alle zehn Jahre den Wandbehang zu Ehren seiner verstorbenen Mutter sowie des ganzen pommerschen Herrschergeschlechts zu präsentieren, erfüllt. Kaum ein Besucher verlässt den Croy-Saal des Pommerschen Landesmuseums ohne die Erkenntnis, hier einen besonderen Schatz genossen und einen Höhepunkt pommerschen kulturgeschichtlichen Erbes erlebt zu haben.

Reiseerlebnisse eines Wolgaster Regenten
In einer Abendveranstaltung wird am 7. Juli 2010 ein weiterer Repräsentant der letzten Greifengeneration in Erinnerung gerufen, Herzog Philipp Julius (1584 – 1625), dessen Vater Ernst Ludwig als Kind auf dem Teppich abgebildet ist. Philipp Julius hinterließ ein wertvolles Zeugnis pommerscher wie europäischer Hof- und Gelehrtenkultur, das – kaum bekannte – Reisetagebuch seiner Bildungsreise durch Europa von 1602 – 1603. Es zeigt nicht nur den geistigen Horizont, der sich dem jungen Erbprinzen durch den Aufenthalt in europäischen Ländern eröffnete, sondern entfaltet auch das politische, juristische, fiskalische, kulturelle und gelehrte Wissen, das um 1600 für die Regentschaft in Pommern für relevant, weil aufzeichnenswert erachtet wurde. Erstmals wird dieses im Pommerschen Landesarchiv lagernde Reisetagebuch nun in ausführlichen Textpassagen der Öffentlichkeit vorgestellt, und zwar in Form einer szenischen Lesung. Das Publikum kann dem humanistischen Gelehrten Friedrich Gerschow und seinem Schreiber beim Formulieren und Aufschreiben, der Herzoginwitwe beim Lesen zuschauen und zuhören, Reisestationen, besuchte Personen, visuelle und musikalische Erlebnisse imaginieren. Das Ensemble Amaltea bringt Musik zu Gehör, die die pommersche Reisegesellschaft möglicherweise in Wolfenbüttel, London, Nancy oder Italien gehört haben könnte.

Die Aufführung schließt das von der Bosch-Stiftung und Schule Plus geförderte studentische Projekt des Instituts für Deutsche Philologie „PONT (Pommern On Tour)“ ab, in dem sich drei Jahre lang Lehramtsstudierende mit Schülern und Fachlehrerinnen verschiedener Schulen im Land auf die Reise mit dem jungen Landesfürsten und in die Kulturgeschichte begeben haben. (Uni Greifswald)



» Diesen Artikel via Mail weiterempfehlen





Schreiben Sie einen Kommentar »



Das könnte Sie auch interessieren:

Genaueste Atomwaage für kurzlebige Ionen noch präziser

An der SHIPTRAP-Apparatur am Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung GSI in Darmstadt ist es unter Beteiligung Greifswalder Physiker gelungen, die Präzision der genauesten Atomwaage für kurzlebige Ionen nochmal entscheidend zu steigern. In einem Pilotexperiment an zwei Xenon-Isotopen konnten die Forscher eine völlig…

Bild: privat

Rechtliche Bedingungen der Untersuchungshaft in Europa

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat für ein Forschungsprojekt an der Universität Greifswald 250.000 Euro bewilligt. Das Projekt Untersuchungshaft in Europa wird von Dr. Christine Morgenstern am Lehrstuhl für Kriminologie (Prof. Dr. Frieder Dünkel) geleitet. Ziel ist, rechtliche und praktische Bedingungen…

Mikrobielle Vorgänge im marinen Lebensraum

Mit neuen molekularbiologischen Untersuchungsmethoden konnten Wissenschaftler aus Greifswald und Bremen erstmals komplexe mikrobielle Vorgänge im marinen Lebensraum nachweisen und genauestens charakterisieren. Koordiniert durch Prof. Dr. Rudolf Amann vom Max-Plank-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen und Prof. Dr. Thomas Schweder von…

Bild: Hans-Werner Hausmann, Uni Greifswald

Metallfunde aus der Bronzezeit im Tollensetal gefunden

Archäologische Forschungstaucher haben im Ausgrabungsgebiet Tollensetal herausragende Metallfunde aus der Bronzezeit geborgen. Dazu gehören unter anderem ein Goldspiralring und in Deutschland bislang einmalige Zinnringe. Die Fundstücke sind rund 3.300 Jahre alt. Sie passen in die Zeitphase in der bisherigen Ergebnissen…

Greifswalder Sommerakademie Orgel 2011

Am Donnerstag, dem 25. August 2011, beginnt in Greifswald die 16. Greifswalder Sommerakademie Orgel. Bis zum Wochenende werden Organisten aus Deutschland und dem Baltikum das Buxheimer Orgelbuch sowie Orgelmusik von Alexandre Guilmant studieren. Am Sonntag, dem 28. August 2011, bieten…

Weitere Beiträge zum Thema: