16. August 2010, Aktuelles, Uni Gießen

Hautentzündungen durch Nickel

Einen wesentlichen Beitrag zur Entschlüsselung der allergiefördernden Eigen­schaften von Nickel haben jetzt Wissenschaftler der Universität Gießen gemeinsam mit Kollegen aus Mannheim, Freiburg, Münster und München geleistet. Unter Fe­derführung der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Matthias Goebeler und Dr. Marc Schmidt (Zentrum für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der Justus-Liebig-Universität Gießen) konnte aufgeklärt werden, auf welche Weise Nickel eine Ent­zündung der Haut hervorruft, die einem sichtbaren Ekzem vorausgeht. Diese Er­gebnisse, die für innovative Prophylaxe- und Therapieansätze von Bedeutung sein können, wurden in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Nature Immunology“ veröffentlicht.

Allergien gehören zu den Erkrankungen, die weiter an Häufigkeit zunehmen. An der Haut äußern sich Allergien vielfach als Kontaktekzeme, die mit Juckreiz, Rötung und Schuppung einhergehen. Das mit Abstand häufigste Allergen ist Nickel: Allein in Europa reagieren nach aktuellen Schätzungen 65 Millionen Menschen allergisch auf dieses Metall, das in vielen Gegenständen des alltäglichen Lebens wie z. B. Modeschmuck, Uhren und Münzen enthalten ist. Bis heute aber sind die Mecha­nismen, die zur Entstehung von Kontaktekzemen auf Nickel führen, nur unzurei­chend verstanden.

Die Forscher konnten nun zeigen, dass Nickel einen Rezeptor der so genannten „natürlichen Immunität“ aktiviert und so intrazelluläre Signalübertragungswege in Gang setzt, die zur Bildung von entzündungsfördernden Botenstoffen führen. In der Folge kann das spezifische Immunsystem aktiviert werden und über Vermittlung von T-Lymphozyten ein Ekzem entstehen. Der jetzt identifizierte Rezeptor, toll-like receptor 4 (TLR4), wurde bereits 1998 entdeckt, ist aber bislang nur als Erken­nungsstruktur für bestimmte von Bakterien freigesetzte entzündungsfördernde Sub­stanzen, die so genannten Lipopolysaccharide, bekannt. Natürlicherweise spielt TLR4 eine Schlüsselrolle bei der Abwehr von Bakterien und verhindert durch Akti­vierung des angeborenen Immunsystems bei bakteriellen Infektionen deren über­mäßige Vermehrung. Die Gießener Forscher, die bis vor kurzem an der Medizini­schen Faktultät Mannheim der Universität Heidelberg tätig waren, beobachteten erstmals, dass Nickel seine entzündungsfördernden Eigenschaften im Menschen entschei­dend über TLR4 vermittelt, dass aber die Zielstruktur für Nickel eine andere ist als jene, die von bakteriellen Lipopolysacchariden benutzt wird. Diese Beobach­tung könnte einen Durchbruch bei der Therapie der bislang nur schwer behandel­baren Nicklallergie bedeuten, da es prinzipiell möglich erscheint, spezifische TLR4-Hemmstoffe zu entwickeln, welche die Aktivierung des Rezeptors durch Nickel blo­ckieren, ohne damit die wichtige natürliche Abwehrfunktion von TLR4 bei bakteriel­len Infektionen zu beeinträchtigen.

Überraschenderweise ergaben weiterführende Untersuchungen, dass nur humane TLR4-Rezeptoren, nicht aber solche aus der Maus, durch Nickel aktiviert werden, da dem entsprechenden Maus-Rezeptor die bindungsrelevanten Aminosäuren feh­len. Die Wissenschaftler vermuteten, dass dies eine Erklärung für die bislang mys­teriöse Beobachtung sein könnte, dass Mäuse keine Nickelallergien entwickeln und es bisher nicht gelungen ist, ein experimentelles Mausmodell für diese häufigste aller Kontaktallergien zu etablieren. Gemeinsam mit den Arbeitsgruppen von Prof. Dr. Stefan Martin (Universitäts-Hautklinik Freiburg) und Prof. Dr. Marina Freuden­berg (Max-Planck-Institut für Immunbiologie, Freiburg) konnte jetzt erstmals ein Mausmodell etabliert werden, in dem Tiere, die anstelle des Maus-TLR4 den menschlichen TLR4-Rezeptor besitzen, eine allergische Reaktion auf Nickel entwi­ckeln. Diese Daten belegen nicht nur, dass Beobachtungen aus Tiermodellen nur begrenzt auf die menschliche Situation übertragbar sind, sondern identifizieren mit Nickel das erste Allergen, das den immunologisch wichtigen TLR4-Rezeptor des angeborenen Immunsystems direkt aktivieren kann.

Die vorgestellten Daten liefern ein weiteres Indiz für die Vermutung, dass Allergien im Wesentlichen fehlgeleitete Immunreaktionen darstellen. Die Forschungsarbeiten von Prof. Goebeler und Dr. Schmidt wurden von der Deutschen Forschungs­gemeinschaft und der Baden-Württemberg Stiftung gefördert.

Titel der Publikation:
Schmidt M, Raghavan B, Müller V, Vogl T, Fejer G, Tchaptchet S, Keck S, Kalis C, Nielsen P, Galanos C, Roth J, Skerra A, Martin SF, Freudenberg M, Goebeler M: Crucial role for human Toll-like receptor 4 in the development of contact allergy to nickel. Nature Immunology (im Druck); online erschienen am 15. August 2010 als „advance online publication“  DOI: 10.1038/ni1919. (Uni Gießen)



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