14. Juni 2010, Uni Gießen

LOEWE-Programm zur Exzellenzbildung an der Uni Gießen

Die Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) hat erneut eine wichtige Hürde genommen: Mit ebenso spannenden wie unterschiedlichen Vorhaben zu transeuropäischen Kulturwissenschaften, zu Raumfahrt-Ionenantrieben und zum menschlichen Abwehrsystem hat sich die JLU an der vierten Staffel der hessischen Exzellenzinitiative LOEWE beteiligt. Jetzt kam die gute Nachricht aus Wiesbaden: Die Universität wurde aufgefordert, für alle drei geplanten LOEWE-Schwerpunkte Vollanträge zu stellen. Insgesamt 21 Antragsskizzen waren in Wiesbaden eingereicht worden; zehn Antragskizzen wurden positiv begutachtet. Die JLU, die jetzt mit allen drei Antragsskizzen noch im Rennen und darüber hinaus an dem Projekt „ADAMED Adaptive statistische Methoden für die individualisierte Medizin“ (Federführung Philipps-Universität Marburg, Beteiligung Universität Frankfurt) beteiligt ist, liegt mit diesem Ergebnis in der Zwischenrunde hessenweit auf Platz eins.

Grund zur Freude für das JLU-Präsidium: JLU-Präsident Prof. Dr. Joybrato Mukherjee sieht die JLU auf dem richtigen Weg: „Die Bemühungen in den verschiedenen Profilbereichen der Universität Gießen, das LOEWE-Programm zur Exzellenzbildung zu nutzen, werden auf diese Weise erneut bestätigt.“ Im Erfolgsfall werde es möglich, in den Kulturwissenschaften, in den Lebenswissenschaften und darüber hinaus, die Grundlagen für weitere große Verbundprojekte in der Zukunft zu legen.

Folgende drei JLU-Antragsskizzen wurden in der vierten Runde des Forschungsförderungsprogramms „LOEWE – Landes-Offensive zur Entwicklung Wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz“ durch den LOEWE-Programmbeirat und die LOEWE-Verwaltungskommission zur Erarbeitung von Vollanträgen aufgefordert.

Non-neuronale cholinerge Systeme
An diesem geplanten Schwerpunkt unter Federführung der JLU (Sprecher: Prof. Dr. Wolfgang Kummer; Institut für Anatomie und Zellbiologie) sind die Universitäten Marburg und Frankfurt beteiligt. Es geht um Mechanismen der Aufrechterhaltung der Körperbarriere und -integrität, die bisher nur fragmentarisch verstanden sind: Acetylcholin (ACh) ist Überträgerstoff im Nervensystem und als Signalmolekül in Bakterien, Einzellern, Pflanzen und vielen Säugerzellen außerhalb des Nervensystems vorhanden, insbesondere an Körperoberflächen und im Abwehrsystem („non-neuronales cholinerges System“). Störungen dieses Systems führen zu Erkrankungen. Ziel des Projekts ist es, die molekularen und zellulären Komponenten dieses Regulationssystems unter gesunden und krankhaften Bedingungen zu entschlüsseln und daraus therapeutische Nutzungen zu ermöglichen. Die Spanne der relevanten Krankheitsbilder erstreckt sich über mehrere Organsysteme und reicht von der Haut (Neurodermitis, Blasen bildende Erkrankungen) über die Transplantatabstoßung bis zur häufig tödlich endenden Sepsis.

RITSAT Raumfahrt-Ionenantriebe
Plasmaphysikalische Grundlagen und zukünftige Technologien

Bei diesem Vorhaben wird die JLU (Sprecher: Prof. Dr. Bruno K. Meyer, 1. Physikalisches Institut) mit der GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung Darmstadt und der Fachhochschule Gießen-Friedberg zusammenarbeiten. Die Grenzen konventioneller Ionentriebwerkskonzepte sind inzwischen bekannt. In diesem Projekt sollen daher Kleinsttriebwerke (μNRIT) bis zum missionstauglichen Flugdemonstrator weiterentwickelt werden. Es sollen Triebwerkskonzepte identifiziert und der Technologietransfer in andere Disziplinen vorangetrieben werden. Fragen der experimentellen Analytik und theoretischen Modellierung der Plasmaeigenschaften für Ionenquellen und RIT-Quellen werden gleichrangig verfolgt. Plasma- und Ionenquellen beziehungsweise Grundlagen der Plasmaphysik sind neben der Raumfahrt auch für medizinische Anwendungen (zum Beispiel Sterilisation oder Wundheilung), für Materialbearbeitung und für Klima- und Umweltforschung relevant.

Transeuropäische Kulturwissenschaften,
Ost-West-Wissenschaftskommunikation und Wissenstransfer

Für dieses Vorhaben wird die JLU ihre erfolgreiche enge Kooperation mit dem Herder-Institut in Marburg weiter intensivieren. Sprecher sind Prof. Dr. Monika Wingender (Geschäftsführerin des Gießener Zentrums Östliches Europa = GiZo, Fachgebiet: Slavistik) und Prof. Dr. Peter Haslinger (Direktor des Herder-Insti­tuts, Fachgebiet: Osteuropäische Geschichte an der JLU) sowie Prof. Dr. Ansgar Nünning (Director of Graduate Studies am GCSC).

Die politische Wende von 1989 bis 1991 mit ihrer Öffnung zwischen Ost und West, der Kalte Krieg mit seinen Blockbildungen, aber auch die Ost-West-Wissenschaftsbeziehungen und Phasen intensiver Rezeption etwa im 19. Jahrhundert sind einige der herausragenden und die transeuropäischen Kulturwissenschaften prägenden Entwicklungen. So sind es gerade diese Umbrüche, Austauschbeziehungen und Blockbildungen, die im Ergebnis eine transnationale und transdisziplinäre Übertragung von Konzepten und Theorien zwischen Ost und West beförderten oder erschwerten. Diese von starken Diskontinuitäten geprägte Entwicklung wird heute im Hinblick auf den Wissenstransfer immer wieder festgestellt, ist aber noch kaum erforscht. Das ist der Ausgangspunkt dieses Projekts, das die sehr heterogenen Entstehungs- und Übertragungsprozesse von Konzepten in der Ost-West-Wissenschaftskommunikation in den Blickpunkt rückt. Diese Prozesse sollen auf der Grundlage von Schlüsselkonzepten der modernen Kulturwissenschaften transparent und ihre Erforschung damit für die Weiterentwicklung der Kulturwissenschaften fruchtbar gemacht werden. Kulturwissenschaftliche Konzepte der Translation, der travelling concepts und des Kulturtransfers werden mit der Analyse von gesellschaftspolitischen, institutionellen, oder personellen Bedingungen von Übertragungsprozessen und konkreter Konzeptransfers zwischen Ost und West verbunden.

Beteiligt ist die JLU überdies an dem Projekt „ADAMED Adaptive statistische Methoden für die individualisierte Medizin“ unter Federführung der Universität Marburg und in Kooperation mit der Universität Frankfurt am Main.

Mit dem zunehmenden Verständnis von Krankheitsentstehung und -mechanismen auf molekularer und zellulärer Ebene verbindet sich die Erwartung einer immer besser auf den einzelnen Patienten zugeschnittenen, anhand von Biomarkern gesteuerten medizinischen Behandlung und Vorsorge. Hierfür ist der noch unscharfe aber programmatische Begriff der individualisierten oder personalisierten Medizin entstanden. Ziel des Projekts ist die Entwicklung flexibler biostatistischer Verfahren, die auf den spezifischen Methodenbedarf der translationalen medizinischen Forschung für die individualisierte Medizin ausgerichtet sind.

Die Vollanträge müssen bis zum 1. Dezember 2010 eingegangen sein und werden dann im Frühjahr 2011 von externen Wissenschaftlern an Ort und Stelle begutachtet. Die endgültige Entscheidung über eine Förderung ab Januar 2012 wird dann im Sommer 2011 in den genannten Gremien fallen. (Uni Gießen)



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